14.04.17 || MAINZ (13. April 2017) - Euripides` 504 v. Chr. in Athen uraufgeführte Tragödie „0restes" , die jetzt im Mainzer Staatstheater herauskam, beginnt mit einer Szene am Krankenbett, in der Elektra
den von schweren psychischen Störungen und Gewissensbissen heimgesuchten Bruder sorgsam betreut. Die Geschwister, die vom Volk zum Tod verurteilt und von der Verwandtschaft im Stich gelassen wurden,
haben als einzigen Verbündeten den treuen Freund Pylades zum Helfer. Dass es Apollo war, der Orestes den Muttermord befohlen hat, gibt ihnen keinen Trost und wird von den Gegnern auch keinen
Augenblick berücksichtigt Die Erynnien verfolgen den fast Wahnsinnigen Tag und Nacht. Er wünscht nur noch eines: Seinen baldigen Tod.
Auch Helena, Klytaimnestras Schwester und ihr Mann Menelaos, die nach langer Irrfahrt aus Troja heimgekehrt sind, bedürfen des sicheren Schutzes des Atriden-Palastes, trauen sich aber kaum vor die Tür. Als Orestes endlich wieder zu sich kommt und aufstehen kann, gebärdet sich Menelaos als künftiger Herrscher von Argos, muss nur noch herausfinden, wie das Volk zu Orestes steht. Der erzählt und erläutert den Hergang der Tat. Menelaos Versprechen, sich für die eng zusammen haltenden Geschwister einzusetzen, stößt bei beiden auf nur zu berechtigte Zweifel: Ihnen ist von vorn herein klar, dass sie nicht auf seine schönen Worte bauen können und größte Vorsicht geboten scheint. Dafür bietet sich ihnen Freund Pylades als tatkräftiger, willkommener Helfer in höchster Not bei der Verteidigung auf der Volksversammlung an.
Die Tragödie "Orestes" (Euripides) wird derzeit noch bis zum 3. Juni im Kleinen Haus des Mainzer Staatstheaters aufgeführt. Das Szenenbild zeigt Rüdiger Haufe als Pylades, Nicolas Fethi Türksever als Orestes und Lilith Häßle als Elektra. Foto (1): Staatstheater Mainz/Andreas Etter
Elektra, die durch einen Boten vom Verlauf der Versammlung erfährt, erkennt klar aus seinem Bericht, daß Menelaos sich keinen Deut für Orestes eingesetzt hat. So scheint den Geschwistern kein
anderer Ausweg zu bleiben, als sich, wenn auch zornbebend, ihrem Schicksal zu fügen. Aber Pylades hat einen klaren Plan erdacht, Menelaos mit ins Unglück zu ziehen, seine Frau umzubringen und beider
Tochter zu entführen. Statt vor allen an eine mögliche Rettung der eigenen Haut zu denken, beherrscht beide Freunde nur noch grimmige Rache: Doch als sie beginnen, Pylades Plan umzusetzen, erscheint
ihnen quasi als deus ex machina der göttliche Apoll, der mit seinen Anordnungen ihre aus allen Fuge geratene Welt repariert, die Sagenüberlieferung wieder herstellt und für einen glücklichen Ausgang
sorgt
.
Als hervorragende Schauspieler bewähren sich im alten Stück vor allem Lilith Häßle in der Partie der Elektra, Nicolas Fethi Türksever als Orestes, Murat Yeginer als Menelaos, Rüdiger Haufe in der
Partie des Pylades und Armin Dillenberger als Tyndareus .Regie führt Niklaus Helbling, für die Bühne sorgt Jürgen Höth, für die modernen Kostüme Eugenia Leis.
Euripides schrieb „Orestes" zurzeit des Peloponnesischen Kriegs, einer Zeit, in der starke Spannungen, Demagogie und brutale Gewalt das politische Klima bestimmten und beherrschten. Der Dichter zeigt in seinem Werk auf, wie schnell aus Opfern Täter werden und Menschen überraschend zu Taten schreiten können, die man zuvor nicht für möglich gehalten hätte. Eine überschaubare Gruppe maßt sich das Recht an, außerhalb des Gesetzes stehen und nach ihrer Ideologie handeln zu dürfen. Was alles uns heute nicht eben unbekannt vorkommt. Aus vermeintlichen Freunden werden fast über Nacht oft Terroristen. deren Treiben nur ein Gott noch Einhalt bieten oder gar ein Ende setzen kann. Wo bleibt Apoll?
Die nächsten Aufführungen des kaum mehr gespielten, aber mit freundlichem, längerem Beifall belohnten alten Werks sind am 23. April, 31. Mai und zum letzten Mal am 3. Juni. Kartentelefon 06131- 2851 - 222 Fax 06131 - 2851- 229