04.03.21 || FRANKFURT (04. März 2021) -
Eine neue Zukunft hat heute mit der Neueröffnung des Ikonenmuseum begonnen, nachdem es in den letzten Jahren dahindämmerte. Schon allein das Betreten des Museums durch die schweren historischen
Holztüren, des Barockbau des Deutschordenshauses, versetzt einem in eine imposante Welt mit ihren knallig roten Wänden, die bestückt sind mit Holz- und Metallikonen sowie liturgischen Geräten. Das
beeindruckende Rot, das etwas an das irdene pompejanische Rot erinnert, lässt die rund 130 ausgewählte Ikonen und religiöse Objekte in einem besonderen Blickwinkel erscheinen.
Nach über einjähriger Umbau- und Renovierungsphase öffnet das Ikonenmuseum in Frankfurt am Main mit gänzlich neuer Ausstellungsarchitektur und inhaltlicher Neukonzeption. Frankfurts Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig überzeugt die Umsetzung des neuen Museumskonzepts: „Zum ersten Mal seit seiner Eröffnung vor 30 Jahren (1990) hat das Ikonenmuseum eine derart umfangreiche Modernisierung erfahren." Es wurde baulich, inhaltlich und digital auf den neuesten Stand gebracht und für rund 300.000 Euro runderneuert. Mit seinem neuen Präsentations- und Raumkonzept stellt es nicht nur eine Bereicherung für die Frankfurter Museumslandschaft dar, sondern unterstützt auch die Verständigung in einer multikulturellen Stadt.
Unter der Direktion von Prof. Matthias Wagner K und der kuratorischen Leitung von Dr. des. Konstanze Runge, die seit September 2019 die Position ausübt, rückt das Museum das Verhältnis zwischen Menschen und Ikonen in das Zentrum seiner komplett erneuerten Ausstellung.
Die Ausstellungsfläche konnte durch die Einbeziehung des Foyers, von bisher 175 auf rund 250 Quadratmetern, deutlich erweitert werden. Damit bildet das Foyer sowohl in räumlicher als auch in
inhaltlicher Hinsicht den Ausgangspunkt für die neue Dauerausstellung. Hierwerden der Ursprung, die Verbreitung und die vielfältige Materialität und Bildsprache von Ikonenanschaulich vermittelt. Auf
diese einführende Ebene folgt der Hauptraum, in dem ein tieferes Eintauchen in die Welt der Ikonen ermöglicht wird. Dies geschieht zum einen über den Aspekt der Bedeutung und Funktion der Ikonen im
kirchlichen wie auch im häuslichen Raum und zum anderen über die erzählerische Inszenierung der Darstellungen des Lebens und der Passion von Jesus und Maria. Während der Hauptraum vorwiegend dem
Auftreten der Ikonen im kirchlichen Kontext gewidmet ist, wird die Empore von einer intimen Atmosphäre des Privaten beherrscht. Hier begegnen die Besucher: innen einer Vielzahl an Heiligen wie etwa
dem besonders verehrten heiligen Nikolaus oder dem heiligen Georg.
Die 130 ausgewählten Ikonen und religiösen Objekte erscheinen nach umfassender Konservierung und Restaurierung in ganz neuem Glanz. Dabei wurden die besonders charakteristischen Spuren des Gebrauchs
als Zeichen der Beziehung zwischen Menschen und ihren Ikonen behutsam erhalten. Die Ikonenwerden weitestgehend glaslos und auf Augenhöhe präsentiert. Besonders wertvolle Ikonen, Metallikonen und
kleinteilige Objekte sind durch Glas und Hauben geschützt.
„Mit dem neuen Museumskonzept möchten wir unseren Besucher: innen die Menschen hinter den Ikonen näherbringen und ein ganz neues Erleben der religiösen Kunstwerke ermöglichen. Die von Dr. Jörgen Schmidt-Voigt begründete und um zahlreiche, exzellente Leihgaben wie insbesondere 84 post-byzantinische Ikonen aus der Skulpturensammlung und dem Museum für Byzantinische Kunst Berlin erweiterte Sammlung gibt uns allen Möglichkeiten an die Hand, die beeindruckende Vielfalt und Faszination orthodoxer Bildwelten von Russland, Griechenland und Rumänien bis nach Ägypten und Äthiopien einem breit gefächerten wie internationalen Publikum zu erschließen. Die Zeitlosigkeit der Ikonen wird durch die moderne Architektur unterstrichen. Bei einem Besuch in unserem neugestalteten Museumkönnen Sie sich davon überzeugen, dass Ikonen auch heute eine Menge zu erzählen haben und uns vor allem viel über die Menschen mitteilen, die sie fertigen, verehren oder sammeln", erläutert die kuratorische Leitung Dr. des. Konstanze Runge ihr Konzept.
„Bilder waren nie allein Sache der Religion, sondern immer auch Sache der Gesellschaft, welche sich in und mit der Religion darstellte", schrieb der Kunsthistoriker Hans Belting in seinem Buch Bild
und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. „Die damit ausgelöste kontroverse Debatte über religiöse und ästhetische Erfahrungen erfährt mit der Neukonzeption des Ikonenmuseums
in Frankfurt am Main eine aktuelle und gewichtige Auseinandersetzung", so Prof. Matthias Wagner K. Und weiter: „Die von Konstanze Runge und ihrer Assistentin Simone Seyboldt entwickelte Konzeption
ermöglicht ein Verständnis der Besucher: innen für die Stellung des religiösen Bildes im kunst- und kulturhistorischen Zusammenhang wie auch einen Zugang zu dessen Bedeutung und Anwendung im
religiösen Leben von Menschen - was die Verbindung mit dem Museum Angewandte Kunst erklärt."
Die Ikonen und weiteren religiösen Objekte aus Russland, Griechenland, Rumänien oder Äthiopien können die Besucher: innen in einer völlig neuen Ausstellungsarchitektur entdecken, die für das
unmittelbare Erleben der sakralen Kunstwerke entwickelt wurde. Das auf die Belange der neuen Dauerausstellung abgestimmte Raum-in-Raum-Konzeptgreift die Quadraturen der postmodernen Architektur von
Oswald Mathias Ungers aus dem Ende des 20. Jahrhunderts auf und verlängert sie in der Horizontalen und Vertikalen. Durch Aussparungen, unterschiedliche Höhenmaße, Neigungen und Vorsprünge bleibt eine
Änderung dieser Architektur vorstellbar. Freistehend finden sich keine direkten Wandanschlüsse, sind sowohl die historische Architektur als auch die moderne von Ungers teilweise sicht-, immer aber
spürbar. Die sich nicht zurücknehmende, im Gegenteil intensive monochrome Farbgestaltung der Ausstellungsarchitektur und der neu konzipierten glaslosen Vitrineneinschübe steht im deutlichen Kontrast
zum Weiß der Gebäudearchitekturen. Höchstpigmentiert, bildet die Farbe eine bewusst glanzlose, dafür aber äußerst körperhafte Oberfläche, die die religiösen Kunstwerke in den Vordergrund rückt -sie
nahezu schweben lässt -und mit dem eigens entworfenen Lichtkonzept und modernster LED-Technik eine ästhetische Grundlage für die Inszenierung der neuen, inhaltlichen Ausrichtung der Dauerausstellung
bildet.
Mit dem Ikonenmuseum im Barockbau des Deutschordenshauses fand das von Hilmar Hoffmann initiierte Museumsufer im März 1990 seinen östlichen Abschluss. „Der Bau dieses Museums", so der damalige
Stadtrat und Baudezernent Hanskarl Protzmann, „stand unter dem Generalthema der architektonischen Bewältigung historischer Bausubstanz durch neues Bauen." Mit dem Architekten Oswald Mathias Ungers
fand sich ein Gestalter, dem mit Respekt vor dem historischen Baukörper und klarer Trennschärfe eine Synthese zwischen Modern und Alt gelang, um die umfangreiche Ikonensammlung der Stiftung von Herrn
Dr. Jörgen Schmidt-Voigt aufzunehmen. Nach dem 30-jährigen Bestehen des Museums wurde dieses erstmalig einer umfassenden Sanierung und Renovierung im März 2020 unterzogen. Die Haus-und Klimatechnik
sind nunmehr grundlegend erneuert, um den für klimatische Schwankungen anfälligen Ikonen ein optimales Präsentationsumfeld zu bieten. Die Sicherheitstechnik des Gebäudes erfuhr ebenso eine
Erweiterung, wie auch die nutzbare Ausstellungsfläche.
„In einer Stadt mit mehr als 14christlich-orthodoxen Gemeinden und geprägt von reicher kultureller Diversität möchte das Ikonenmuseum daher nicht nur ein Ort des Bewahrens kulturellen Erbes sein,
sondern darüber hinaus einen Raum der Begegnung eröffnen, der alle einlädt und zu einem gelingenden Miteinander von Menschen mit verschiedenen kulturellen, religiösen wie auch nicht-religiösen
Hintergründen beiträgt. Die Aufgaben eines Museums haben sich seit der Gründung des Frankfurter Museumsufers Ende des 20. Jahrhunderts stark verändert. Mit seinem rundum erneuerten Konzept reagiert
das Ikonenmuseum auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen", so Kulturdezernentin Hartwig abschließend.
Auch für die Administration des Museums hat sich einiges räumlich verändert so ist jetzt aus dem Büro des früheren Leiters des Museums, Richard Zacharuk, eine Restaurierungswerkstatt eingerichtet
worden. Hier unterzieht mit ruhiger Hand ein einem Blick auf das wesentliche die freie Restauratorin Katja Schenk einigen der rund 1.500 Ikonen eine Schönheitskur und bessert schadhafte Stellen mit
reversiblen Farben aus. Bereits im vergangenen Jahr wurden Fördermittel zur Restaurierung der auszustellenden Ikonen beim Deutschen Museumsbund beantragt. IIn der Museumbibliothek hat sich Dr. des.
Konstanze Runge, die leitende Kuratorin und Kustodin des Ikonenmuseum Frankfurt, eingerichtet. Hier sei sie, wie sie kurz sagte, "näher und schneller an der Wissenschaft."
Im Herbst soll eine bundesweit einmalige Sonderabteilung mit Exponaten aus Äthiopien dazukommen, wie Kuratorin Konstanze Runge während der Neueröffnung berichtete. Zu sehen sind auch Ikonen aus
Russland, Griechenland und Rumänien.