14.03.23 || FRANKFURT
(14. März 2023) - Längst ist PARDON, die vor 60 Jahren gegründete „deutsche satirische Monatsschrift", Legende. Auch die Ausstellung „Teuflische Jahre - PARDON" wird in den nächsten Tagen zur Legende
werden, denn am Sonntag, 19. März endet sie, die am 16. Oktober gestartet war und überaus viel beachtet und besucht wurde und die nicht nur von den Altvorderen. Die Ausstellung im Caricatura Museum
Frankfurt - Museum für Komische Kunst macht nachvollziehbar, warum das Frankfurter Blatt so erfolgreich war und innerhalb kürzester Zeit mit über 300.000 verkauften Exemplaren zur größten
Satirezeitschrift Europas aufstieg. Gleichzeitig wird in der Jubiläumsausstellung "Teuflische Jahre" deutlich, wie prägnant sich in dem Satiremagazin die bewegte Geschichte der Bundesrepublik in den
60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts spiegelt.
PARDONs Markenzeichen von Anfang an: Ein von F.K. Waechter entworfener Teufel, der scheinbar freundlich seine Melone zum Gruß hebt, um dabei jedoch diebisch lachend seine Hörner zu offenbaren. Gegründet wurde die Zeitschrift 1962 in Frankfurt von Hans A. Nikel zusammen mit Hans Traxler, Chlodwig Poth und Kurt Halbritter. Schnell entwickelte sie sich zum Zeitgeist-Magazin des Aufbegehrens der Jugend gegen den Muff der Adenauerzeit und seiner Autoritäten. PARDON eckte immer wieder an, wurde mit Prozessen überzogen, legte sich mit den meist klerikalen Sittenwächtern an, agitierte gegen die weitverbreitete Prüderie und bürgerliche Doppelmoral der frühen Bundesrepublik. Dies führte von Anfang an zu Verbotsanträgen, Zensurversuchen und Verkaufsbeschränkungen.
Geeint in der kritischen Betrachtung
PARDON bezog Stellung, ergriff Partei. Das Konzept, Humor, Komik und Satire mit engagierten Texten und Reportagen zusammenzubringen, kam an. Karikaturen standen neben bissigen Polemiken, Fotomontagen
neben Buchbesprechungen, ernsthafte Reportagen neben leichtfüßigen Parodien. Alles bunt gemischt, jedoch geeint in der kritischen Betrachtung der bestehenden politischen Verhältnisse. Bald war das
Magazin erste Adresse für junge Karikaturisten, entwickelte sich zum Karrieresprungbrett für journalistische Berufsanfänger wie Günter Wallraff, Alice Schwarzer, Wilhelm Genazino oder den späteren
"Stern"-Reporter Gerhard Kromschröder. Auch Eckard Henscheid begann dort seine Karriere.
Immer wieder machten die PARDON-Redakteure durch spektakuläre satirische Aktionen auf sich aufmerksam. So enthüllten sie eine Statue des damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübke vor der Frankfurter Paulskirche, sie verteilten angeblichen Atommüll unter Passanten, deponierten eine Büste von Günter Grass in der Walhalla, dem deutschen Heroen-Tempel an der Donau, oder sie veranstalteten Lichtbildervorträge „zur Früherkennung von Bankräubern", bei denen sie die NPD für sich einspannten.
Auf vier Ebenen Originalzeichnungen, Fotos und Gerichtsakten
Die große Jubiläumsausstellung "Teuflische Jahre" dokumentiert auf den vier Ebenen des Museums in Originalzeichnungen, Fotos und Gerichtsakten den Werdegang des Magazins. Der Versuch des
PARDON-Verlegers Hans A. Nikel, in den späten 70er Jahren die Zeitschrift für New-Age-Themen zu öffnen, beschleunigte den personellen Aderlass. Wichtige Mitarbeiter setzten sich ab, ein Teil
firmierte fortan als "Neue Frankfurter Schule" (NFS). Die Gruppe, zu der auch die Texter von Otto Waalkes, Robert Gernhardt, Peter Knorr und Bernd Eilert gehörten, gründete schließlich 1979 das
Konkurrenzblatt "Titanic".
1982, unter ihrem letzten Chefredakteur Henning Venske, wurde PARDON eingestellt.
In seiner 20jährigen Geschichte hatte sich das Magazin als stilprägend für Medienschaffende erwiesen, dessen Einfluss bis heute nachwirkt. Caricatura-Direktor Achim Frenz: „Mit der Ausstellung schließt sich eine Lücke, und PARDON, dieses kreative Sammelbecken, aus dem auch die ‘Neue Frankfurter Schule‘ hervorgegangen ist, erhält endlich den Platz, den es historisch verdient."
Die Kuratoren der Ausstellung
Gerhard Kromschröder, geboren 1941 in Frankfurt am Main, studierte dort Soziologie und Kunstgeschichte. Er war Lokalredakteur im Emsland und arbeitete von 1967 bis 1979 bei PARDON, zuletzt als
stellvertretender Chefredakteur. Damit kann er für sich in Anspruch nehmen, der Dienstälteste PARDON-Redakteur zu sein.
Till Kaposty-Bliss, geboren 1970 in Köln, ist Grafiker und Zeitschriften-Sammler und seit 2014 Verleger und Art Director der Monatszeitschrift "Das Magazin". Seit 2020 verwaltet er den Nachlass des PARDON-Verlegers Hans A. Nikel und hält die Rechte an dessen Verlag Bärmeier & Nikel. PARDON lernt er als Jugendlicher in alten Ausgaben vom Sperrmüll kennen, seitdem sammelt er, neben anderen zahlreichen Magazinen, das Satireblatt und beschäftigt sich mit seinem Kosmos. In seiner Freizeit rettet er ab und an historische Laden-Schriftzüge vor der Verschrottung und ist Vorstandsmitglied des "Buchstabenmuseums" in Berlin.
Großformatigen PARDON-Materialband "Teuflische Jahre" zur Ausstellung
Zur Ausstellung legen die beiden Kuratoren einen in der Berliner Favoritenpresse erschienenen großformatigen PARDON-Materialband "Teuflische Jahre" zur Geschichte des Magazins vor. Dort werden u. a.
alle Titelblätter aus 20 Jahren präsentiert, ergänzt durch Cartoons und Fotostrips sowie ausgewählte Heftbeiträge. In dem Sammelband blicken verschiedene Autorinnen und Autoren auf ihre PARDON-Zeit
zurück. So porträtiert Elsemarie Maletzke das Frankfurter Nordend, in dem PARDON beheimatet war, Peter Knorr beschreibt, warum er zu PARDON ging, Otto Waalkes erzählt, welchen Einfluss die
Frankfurter Satirezeitschrift auf ihn hatte. Und Alice Schwarzer und Günter Wallraff berichten, wie es in der Redaktion zuging.
Teuflische Jahre. PARDON. Die deutsche satirische Monatsschrift 1962 - 1982 Herausgegeben von Gerhard Kromschröder und Till Kaposty-Bliss Favoritenpresse, Berlin 2022 21 x 30 cm, 208 Seiten, ca. 250 Abbildungen, Softcover mit Klappen ISBN: 978-3-96849-068-7 25 Euro
Caricatura Museum Frankfurt - Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17, D-60311 Frankfurt am Main, Tel.: +49 (0) 69 212 30161
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können. , www.caricatura-museum.de