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Alles „Hannebambel“ oder was?

Vergnügliches Theater auf hohem Niveau - Der Alchemist mit Michael Quast           von Ingeborg Fischer und Karl-Heinz Stier

29.07.17 || altFRANKFURT-HÖCHST (28. Juli 2017) - Vom Bolongaro-Palast mit großem Park musste Michael Quast und seine fliegende Volksbühne umziehen in den Hof der Höchster Porzellanmanufaktur, weil das barocke Gebäude am Main für mehrere Jahre eine Renovierungsbaustelle sein wird. Im Innenhof der Manufaktur ist die Bühne, die Tribüne für die Zuschauer und alles Drumherum kompakter, enger, nüchterner. Aber es ist dennoch eine gute Übergangslösung.

Quast hat mit der Moliere-Tradition auf Hessisch erstmals gebrochen und spielt mit seinem Ensemble „Der Alchemist" von Ben Johnson, einem Engländer und Zeitgenossen Shakespeares. Schon deshalb, weil das Thema gut zum Höchster Porzellan passt. Oder wie der Festspielleiter sagt; „Während wir auf der auf der Bühne das Labor glühen und qualmen lassen, wird im Gebäude tatsächlich auch während des Festivals Porzellan hergestellt".

altDas Szenenbild zeigt v.l.n.r.: Michael Quast als Magnus der Alchemist, Alexander Beck als Landadeliger Junker Falk von Bussard

Der Plot ist schnell geschildert: Der alte Frankfurter Herr von Humbracht verlässt Geschäft und Stadt, weil die Pest ausgebrochen ist. Hannes - der Verwalter seines Anwesens - auch als Hauptmann und Rumpelstilz auftretend (Matthias Scheuring) tut sich mit den Betrügerpärchen Alchemist Magnus (Michael Quast) und der Dirne Lenche Allerwelt (Katerina Zemankova) zusammen, das im leeren Gebäude eine Alchemisten-Küche aufmacht. Die geheimnisvollen Vorfälle dort locken brave Frankfurter Bürger an, die sich Reichtum, Macht und Liebesglück vom „Magier" Magnus erhoffen und für gewünschtes weißes Gold und verheißene sensationelle Potenz reichlich zahlen. All die überzeichneten, kuriosen, gierigen Figuren gehen zum Schluss natürlich leer aus, und alles hat wieder seine Ordnung. Denn Herr von Humbracht kehrt zurück! („Die Pest muss doch e bissi läppsch gewese sei").

altMichael Quast sinnt über neue Einnahmequellen nach

Die Komödie - ins Hessische übersetzt vom Autor Rainer Dachselt - ist nicht so geschmeidig, spritzig, leicht wie Molieres Stücke. Es geht deftiger, obszöner zu, es ist eine virtuose Mischung aus Alltags- und Kunstsprache, die da in Hessisch Gebabbel aus Kneipen und Gaunermilieu umgesetzt wird. Als „Hannebambel" werden fast alle einmal tituliert. Und „Aus jedem Forz von mir wird ein Gedicht" brachte die Zuschauer zum Jubeln. Und jedermann aus dem Publikum kommt ja irgendwo aus der Gegend her. Man freut sich, wenn sein Ortsname erwähnt wird: Bonames, Dietzebach, Berjel und unvermeidlich „Offebach".

Vor der Pause war es etwas mühsam, dem Text immer zu folgen, dann wurde es aber turbulenter und amüsanter. Der Skeptiker gegenüber den Gaunern, Murrhardt Knodder (Dominik Betz), hat es nicht immer leicht mit all den auf Reichtum und Glück Erpichten: Schreiber Schmuck (Alexander J. Beck), Tabakhändler Brustfleck (Ulrike Kinbach) „der streckt sein Tabak net mit doote Läus!", dem liebestollen Lukull von Mammonshain (Philipp Hunscha) oder Bruder Barnabas (Lil von Essen) und Schwester Gottliebe Erbaulich (ebenfalls Ulrike Kinbach). Lil von Essen mimt auch die reiche Witwe Biegsam mit dem schrillen Lacher gekonnt puppenhaft zum reinen Vergnügen der Zuschauer.

altMichael Quast (v.l.n.r.) als Herr vom Humbracht, Katharina Zemankowa als Lenche Allerwelt und Matthias Scheuring als Hauptmann Kimmel - das Trio der Alchemistenküche. Fotos (3): Fliegende Volksbühne/Maik Reuß

Michael Quast, der souverän den Alchemisten und den Herrn von Humbracht verkörpert, wusste wohl schon im Voraus um die Textschwächen seiner Protagonisten. Er lobte bereits zu Beginn der Vorstellung die Souffleuse Petra Gaubatz als sehr wichtige Person. Ihre nötigen Einsätze dann nutzte er zu schlagfertigen Bemerkungen - zum Amüsement des Publikums.

Ein wenig gewohnheitsbedürftig war das Stück vom unbekannten britischen Autor schon. Es zündet nicht so ganz bei den Theaterbesuchern. Aber die Gesamtleistung des Ensembles „Der fliegenden Volksbühne Frankfurt Rhein-Main" soll nicht geschmälert werden. Es war vergnügliches Theater auf hohem Niveau.

Regie: Sarah Gross, Kostüme: Anna Sophia Blersch, Maske: Katia Reich

Weitere Termine: 1. - 5.August, 8. - 12.August, 15. - 19.August, jeweils um 20 Uhr. Sonntags: 30.Juli, 6., 13. und 20.August um 17 und 20 Uhr.

Karten unter 069 - 407 662 580 - www.fliegendevolksbuehne.de/ oder www.barock-am-main.com