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Kunst & KulturLiteratur › Das Epos des „Heliand“ lässt die Zuhörer verstummen

Das Epos des „Heliand“ lässt die Zuhörer verstummen

In den „Heliand" führt Bürgermeister Christian Seitz bei der Rezitation des Journalisten Wilhelm Meyer ein - Aus der frühmittelalterlichen altsächsischen Evangeliendichtung ist ein bemerkenswerter, abwechslungsreicher und szenischer Vortrag geworden                             von Ralph Delhees

22.12.13 || altMAIN-TAUNUS-KREIS (22. Dezember 2013) - Es ist kaum zu fassen, in den Sälen herrscht  aufmerksame Ruhe, eine Stecknadel könnte man fallen hören, wenn der Rezitator nicht wäre. Im dritten Jahr in Folge wird während der Adventszeit bei Advents- und Weihnachtsfeiern von Senioren, bei Vereinen und Organisationen von dem Journalisten Wilhelm Meyer in Auszügen die altsächsische Evangeliendichtung „Heliand" gestenreich vorgetragen. Die Einführung in den „Heliand", seine Geschichte und zu den einzelnen Kapiteln gibt Christian Seitz, der im Hauptberuf Bürgermeister von Kriftel ist. Das Epos des "Heliand" ist ein sogenannter „Kulturschatz", der während der Adventszeit 2011 in Kriftel gehoben wurde. Damals trat im kulturellen Beiprogramm der VdK-Jahresabschlussfeier in Kriftel erstmals Bürgermeister Seitz mit „Heliand"-Rezitator Wilhelm Meyer auf (Anm: Das RMT-Onlinemagazin berichtete - nachzulesen bei Eingabe des Suchbegriffes „Heliand" - hier ist auch die Geschichte des Epos zufinden) und seitdem absolvieren beide im Dezember ein strammes Vortragsengagement. Christan Seitz schafft mittlerweile meisterhaft die Rolle des Einführungsvortrages, dabei führt er die Gäste fast „bildlich" in die Zeit des Entstehens des „Heliand" ein. Rund 15 Minuten lang hatte Rezitator Meyer sein Publikum trotz der so „eigentümlichen Sprache" gefesselt und mit etwas Besonderen nicht Alltäglichem begeistert. Das nebenstehende Bild zeigt eine Seite aus der Münchner Handschrift des Heliand. Foto: Wikipedia

Wilhelm Meyer (links im Bild als gestenreicher Rezitator), der sich seit vielen Jahren mit christlichen Themen auseinandersetzt und in den ersten beiden Jahren nur einen Auszug aus dem Eingang der Dichtung rezitativ-dramaturgisch flüssig vorzutrug, hat seit Anfang diesen Jahres mit viel Eifer den „Heliand" in Auszügen weiter und jetzt komplett so gelernt, dass er im ganzen bei den verschiedensten Veranstaltungen in Hofheim und Kriftel vorgetragen wurde. Neben dem Kapitel „Eingang", womit bisher aufgetreten wurde, sind die die Kapitel „Jesu Geburt", „Die Gefangennahme", „Der Tod Jesu" und „Die Himmelfahrt" hinzugekommen. Das Beste aus dem „Heliand", wie es den Autoren auch nach Urteil seines Kommentators gelungen ist.

Der „Eingang" der Dichtung ist ein Kapitel von christlicher Klarheit um Gottes Schöpfungsakt und um die vier Evangelisten - wie der nachstehende Eingangstext zeigt- Die Ausführungen neben den Epostexten sind in leichter Abänderung aus den Einführungstexten von Christian Seitz entnommen:

altEin Kommentator des Heliand beschreibt das Erlebte, wie folgt:

„Bittet darum das Werk nicht nur mit den Augen auch mit klingender Stimme zu lesen“. Vielleicht sind die Texte nur so zu verinnerlichen, damit sie auch angeklungen!

Der Heliand ist und hier liegt sein besonderer Reiz, sprachlich ein sehr interessantes Werk nicht zuletzt wegen der „sächsischen Genitive“, wie zum Beispiel:

„Er begehrte eifrig,/ dass er weises Sinnes/ es wirken möchte!“

Das ist das Ende dieses Eingangs. Der erblindete Zacharias sagt die Worte:

Er wollte in dem „Weihtum,/ des Waltenden Opfer/ Heilig halten/ Des Himmelskönigs/ Gottes Jüngerschaft“

Dieser schöne „sächsische Genitiv“ kommt auch im Vortrag an verschiedenen Stellen wunderbar raus:

„Starkes Sinnes“/ „Mildes Mutes“/ „Heiliges Geistes“/ „Heilande hehrster“

altWilhelm Meyer und Bürgermeister Christian Seitz (rechts am Pult), der die Einführungstexte zu den einzelnen Kapiteln des "Heliand" spricht, vor vollem Haus während einer Rezitation anlässlich der Weihnachtsfeier der Turn- und Sportgemeindevon 1884 Kriftel e.V..

Denn es wird das Hauptgeschehen um und mit Christus, seine Wirkungszeit in ihrer biographischen Hauptsache aufgezeigt. Ausgeklammert hat Wilhelm Meyer bei der freien Rezitation die Bergpredigt und den Prozess, den sie passen nicht in die Adventszeit und sind sprachlich nicht so packend wie die anderen Kapitel.

Das Ganze ist eine schöne Einheit geworden, in der auch Jesus und der Gottesengel sprechen, ein Kampf nach Art und Gefallen der Germanen geschildert wird, der Ausgang des Ganzen in Sicherheit und Frieden für Jesus endet und er die Menschheit weiter im Blick behält.

Es ist ein Vortrag der Klarheit, der Verheißung, des Hymnus, des Kampfes, des Abschieds ohne ein Ende Traurigkeit, offen für die Zukunft. Es ist ein bemerkenswerter, abwechslungsreicher und szenischer Vortrag geworden, betonte Christian Seitz in seiner Einleitung.

altIm nebenstehenden Kapitel „Jesu Geburt" steigt der Himmel in Gestalt des Gottesengels nieder, spricht und verheißt den Menschen. Sein Erscheinen wird zu einem Hymnus gesteigert, wie er herrlicher und katholischer nicht sein kann!

So auf christliche Dichtung und Historisches eingestimmt, verfolgte das Publikum die freie Rezitation mit hoher Spannung. Am Ende starker Beifall und Anerkennung für Christian Seitz dem Krifteler Bürgermeister und Rezitator Wilhelm Meyer sowie Nachfragen im Publikum zu Text und Art des Vortrags des Ganzen. Aber nicht nur dies auch Dank erfährt der Rezitator auch auf offener Straße und wo er hinkommt, wo ihn die Menschen sofort erkennen und ihm Fragen nach der freien Rezitation und wie man auf solch eine Idee kommt.

altRezitator Meyer fesselt sein Publikum trotz der so „eigentümlichen Sprache" des "Heliand".

Ein frühmittelalterliches altsächsisches Großepos


Entstanden ist die altsächsischen Evangeliendichtung „Heliand" in Sachsen, den Anstoß zu der Dichtung gab der Nachfolger von Karls dem Großen (768 - 814), Ludwig der Fromme, der den Anstoß zu dieser Dichtung gab. Die Evangeliendichtung sollte weit in Sachsen hinein wirken und mit Herz und Verstand für den neuen Glauben Menschen gewinnen. Es gelingt einem sächsischen Klostergeistlichen um 820/830, den „Heliand" zu schaffen. Entstanden ist ein frühmittelalterliches altsächsisches Großepos und wichtiges Glied im historischen Kontext der Entstehung der deutschen Sprache und Literatur. In fast sechstausend (5983) stabreimenden Langzeilen wird das Leben Jesu Christi in der Form einer Evangelienharmonie nacherzählt.

Gedanken zu „Heliand"


Um es einfach auszudrücken bei dem „Heliand" handelt es sich um Zeilen aus alter, christlicher Dichtung, die heutzutage kaum noch vorgetragen wird. Jeder der mehr oder weniger einen Bezug zur Bibel, dem Alten und Neuen Testament, zu Gott, Jesus und den vier Evangelisten hat, für den ist die Advents- und Weihnachtszeit immer etwas Besonderes. Um dies alles zu verstehen muss man Jahrhunderte zurückgehen. In die Geschichte der Germanen, und der Sachsen bis hin ins frühe Mittelalter.

altIm Kapitel „Die Gefangennahme" kommt die Treue der Germanen, der Sachsen, ihre Absicht, sie mit Kampf und Kraft zu besiegeln, voll zum starken, sprachlichen Ausdruck. Es ist ein teilweise von Kampf betontes Kapitel, das so auch notwendig wird, damit die Germanen sich in ihrer Treue zum Gefolsherrn und ihrem Kampfgeist für ihn auch im neuen christlichen Glauben wiedererkennen können. Das ist die Botschaft der wirklich starken Kampfszene. Aber auch Jesus kommt darin zu Wort und bringt christliche Friedfertigkeit wieder ins Glaubenswerk zurück.

In die Zeit des regierenden Karls des Großen, 768-814 post christum natum. Er hatte in drei blutigen Kriegen die Sachen besiegt und sie unter seine Herrschaft gebracht. Den neuen Glauben hatte er ihnen zur Annahme auch auferlegt. Doch sie widerstrebten noch in weiten Teilen ihrer inneren Christianisierung.

Der Nachfolger Karls des Großen, Ludwig der Fromme, erkennt das. Er macht es sich u.a. auch zur Aufgabe, das Bemühen seines Vorgängers um die innere Christianisierung der Sachsen fortzusetzen. Er nimmt dafür die Dichtkunst der Germanen in Anspruch, die bedeutend zur altgermanischen Gesittung beitrug. Er nimmt sie für die Christianisierung der Sachsen zu Hilfe.

Ialtm Kapitel „Der Tod Jesu" wird die Sicherheit seiner Seele und Sendung in den „unvergänglichen Glanze" um ihn überführt. Der Tod ist nicht der Sieger.

Im Kapitel „Die Himmelfahrt" herrscht die Freude durch alle Zeilen: Jesus hat es geschafft, die Schrift „war erfüllt". Er heiligt und weiht seine Jünger und weicht danach aus der Welt. Doch er nimmt sie und uns weiterhin wahr. Die Beziehung bleibt erhalten. Der „waltende Christ" hält die positive Aussicht für uns offen.

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Erlöst und erleichtert sind Christian Seitz und Wilhelm Meyer als am Ende einer der Rezitationen sie durch starken Beifall Anerkennung für ihren Vortrg erhielten. Fotos: Privat

Es ergeht von ihm der Auftrag an einen sächsischen Stammesgenossen, eine Bibelübersetzung einzuleiten und zu schaffen, die weit in die Sachsen hineinwirken und ihnen die neue Lehre näher bringen soll. Dass sie die mit Herz und Verstand annähmen.

Der Auftrag gelangt an ein sächsisches Kloster, in dem ein Klostergeistlicher wirkte, der in seinem Kreis „als nicht unberühmter Sänger" galt. Sein Name wird uns nicht überliefert. Er schuf dann in den zwanziger Jahren des neunten Jahrhunderts die altsächsische Evangeliendichtung „Heliand".