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Kunst & KulturLiteratur › „Der Mensch in seinen Jahren, soll sich die Zeit bewahren“

„Der Mensch in seinen Jahren, soll sich die Zeit bewahren“

Günther-Maria Halmer rezitiert Kishon und Roth beim Rheingau Musik Festival           von Karl-Heinz Stier

16.08.14 || altRAUENTHAL ((16. August 2014) - Er macht keinen Hehl daraus, dass für ihn - allein vom Titel der Veranstaltung her - die Spezies Mensch im Zenit seiner literarischen Erzählungen steht, auch wenn die aktuelle weltpolitische Diskussion derzeit nicht in seinem Sinne ist, wie Günther-Maria Halmer zu Beginn der Veranstaltung provozierend betont („Wenn man Nachrichten hört, kriegt man Angst"). Nein, man könne reichhaltig „aus der Quelle Mensch schöpfen", so der 71jährige Schauspieler, der in über 100 Fernseh - und Kinofilmen und Serien mitwirkte. Dabei hat er sich nicht auf bestimmte Typen festgelegt, er spielte Querköpfe und Eigenbrötler, clevere Hallodris und verlebte Aussteiger, einen englischen Landedelmann oder die Rolle eines Zirkusdirektors. Bei so vielen Erfahrungen fällt es ihm natürlich nicht schwer, seine Mitmenschen unter einem satirischen Blickwinkel zu betrachten und ihm humoristisch den Spiegel vorzuhalten.

altDer Schauspieler Günther-Maria Halmer beim Rezitieren

So geschehen beim Rheingau-Musik-Festival in der Domäne Rauenthal bei Eltville unter dem Titel „Ein Mensch...". Zwei Autoren haben ihn bei diesem Thema besonders beeindruckt. Da wäre Ephraim Kishon, verfolgter Jude aus Ungarn, der sein Leben mehrmals nur durch die Flucht retten konnte. Es sind die kleinen Schwächen, die Halmer den Kishon-Kurzgeschichten entlockt und mitreißend vorträgt, wie etwa der Kauf eines Hundes, bei dem alle Familienmitglieder mitreden und das dann darin mündet, dass „Franzi", so heißt der Hund, schließlich die Familie an s e i n e Leine nimmt.

In Halmers gespielten Dialogen, abgelesen und in mehr oder minder lauter und leiser Tonstärke realistisch vorgetragen, erkennt der Hund bald des Familienvaters Schlitzohrigkeit, eine Entwicklung, die auch in Prosa humorig klingt, bei den Besuchern mehrfach ins Schwarze traf. Auch „Papi als Schwimmlehrer" bestätigte immer wieder Halmers tiefgründiges Amüsement, wenn es darum ging, wie Papi versuchte, seinem Bub die Angst vor dem Wasser auszutreiben. Man hatte das Gefühl, Halmer hätte die erzählte Geschichte selbst erlebt.

Was wäre der Mensch ohne die Liebe, ohne Eheleben, ohne seine alltäglichen Erlebnisse. Dafür steht Eugen Roth, Kriegsteilnehmer in beiden Weltkriegen und engagierter Kriegs- und Militärgegner, in seinen literarischen Beobachtungen. Seine Texte hat Günther-Maria Halmer im zweiten Teil des Auftritts deklamiert, diesmal freilich in Gedichtform und Versen. Von der gegenseitigen familiären Einladungspflicht, über Das „Dings", dass so heißt, weil einem die frühere Bedeutung des Wortes nicht mehr einfällt, bis zum „rechten Arzt", den Bekannte und Verwandte absolut empfehlen, reichen die gereimten Zeilen des 1976 verstorbenen Dichters. Mit genialer Betonung und Einfühlungsvermögen nimmt Eugen Roth alias Halmer die ihm bekannten Erdenmenschen aufs Korn.

Eigentlich kritisiert er seine Mitmenschen nicht, sondern versteht seine „Werke" als eine Art Fürsorge. Er nimmt ihre Schwächen unter die Lupe und macht sie darauf aufmerksam, doch wie sie mit ihnen umgehen, überlässt er seinen Zuhörern oder Lesern.

Höhe - und Schlusspunkt der Halmerschen Roth-Interpretationen ist das Gedicht von der „Zeit und dem Menschen". „Als Erdengast hat ihn die Zeit schon erfasst. Dann fängt der Ernst des Lebens an, es regiert fortan der Stundenplan". Dann lässt er Halmer in dessen Diktion weiter reden: „Die Zeit geht schnell von hinnen, aber die Ordnung bleibt immer drinnen". Mit einem Augenzwinkern gibt er zum Schluss dem Publikum mit: „Der Mensch in späten Jahren, soll stets die Zeit bewahren".

Günther-Maria Halmer (links) mit Quartett Martina Eisenreich. Foto(2): Rheingau Musik Festival

Das letzte Gedicht ließ Halmer gefühlvoll musikalisch umrahmen vom Martina Eisenreich Quartett, das aber ansonsten als wilde Formation eine exzellente Begleitmusik bot und die Zuschauer zu großem Applaus hinriss.

Freilich e i n e Bemerkung im Programmheft hätte gewiss Eugen Roth, lebte er noch, zum Reimen verleitet. Darin steht, dass das Publikum während des „Konzerts störende Hustengeräusche" vermeiden solle - mit dem Hinweis: „Der Schalldruck eines Hustens sei mit einem Trompetenstoß vergleichbar und lasse sich durch ein Filter eines Taschentuches erheblich reduzieren". Dem Münchener Intimus Roth, der rund 40 Bücher veröffentlichte, hätte sich dabei vielleicht ein Hustenreiz eingestellt, aber zumindest wären sie ihm ein paar dichtende Zeilen wert gewesen.