23.05.16 || KRIFTEL (22. Mai 2016)
- Alljährlich sind in der Walpurgisnacht - vom 30. April zum 1. Mai - die Hexen und Teufel nach altem Brauchtum unterwegs. Nach vielen Irrungen und Wirrungen zur Hexenabwehr im Mittelalter machte
Goethes Faust das Hexenfest zum Dauerbrenner und seit Faust von Mephisto in der Walpurgisnacht auf den Blocksberg gebracht wurde ist das Hexenfest ein Dauerbrenner geworden. Wenige Stunden vor der
Walpurgisnacht, fand in der Obstanbaugemeinde des Main-Taunus-Kreises in Kriftel ein sogenannter „Obstlerspaziergang" im Rat- und Bürgerhaus auf Einladung des Musikforums und der Gemeinde statt. Bei
ihm wurde „geistreich" im doppelten Sinne - denn auch Obstwässer standen zur Probe - gemischt mit Dichtung und Gesang der Abschluss der Jubiläumsfeierlichkeiten zur 1225-jährigen urkundlichen
Ersterwähnung der Gemeinde begangen. Und Goethes Faust kam auch in der Vorwalpurgisnacht vor rund 100 aufmerksamen und gespannten Zuhörern zu Wort, durch den Journalisten Wilhelm Meyer (unser
Bild zeigt ihn gestenreich als Dr. Faust).
Zum dritten Mal war die Einladung ausgesprochen worden und auch diesmal wieder setzten der Journalist Wilhelm Meyer, Bürgermeister Christian Seitz und Dietmar Vollmert, Leiter des Musikforums, damit einen Schlusspunkt unter eine Trilogie der besonderen Art, die vor einem Jahr mit einem literarisch-musikalischen Osterspaziergang aus Goethes Faust I begonnen und im Herbst 2015 mit einer weiteren Jubiläumsveranstaltung und Faust II fortgesetzt worden war.
Den Bezug zum Krifteler Markenzeichen "Obst", auch in flüssiger
Art, emonstrierte Bürgermeister Christian Seitz in eine seiner Rollen
Mit dem „Obstlerspaziergang", am Tag vor der Walpurgisnacht, wurde nun bewusst der Bezug zum Krifteler Markenzeichen „Obst" hergestellt. Denn die Krifteler Obsterzeuger feierten 2015 ebenfalls einige Jubiläen: Die AG Landwirtschaft und Obstanbau wurde 125 Jahre alt und die Raiffeisen- Obst- und Warengenossenschaft 85 Jahre. Stolze 120 Jahre sind es fast schon her, dass sich der Vorläufer des heutigen Kleingartenvereins gründete. Und bereits um 1811 soll die Nassauische Regierung den Obstanbau landesweit initiiert haben.
Mit diesem dritten „Spaziergang" sollte daher auch ein Dank an die Obsterzeuger und Landwirte in der Gemeinde ausgedrückt werden. Denn von Anbeginn an hat die Form der Landnutzung das Gesicht der
Landschaften geprägt. Poeten jeder Generation wussten das. Daher wurden diesmal gleich mehrere Größen der Dichtung, Literatur und Musik nach Kriftel eingeladen, die in wohlgereimte Worte und
wunderschöne Musik fassten, was die Menschen damals bewegte.
Mit König Salomo, Shakespeare, Schiller, Uhland, Goethe, Händel, Gluck, Mendelssohn-Bartholdy, Schumann, Liszt, Offenbach, Gounod, Brahms und Johann Strauß machte man sich auf den Weg vom Hochfeld über St. Vitus in Kriftel und weiter in Richtung Brocken zur Walpurgisnacht, in den Norden sowie in den Klassischen Süden.
Für den musikalischen Part zeichnete der Leiter des
Musikforums Kriftel, Dietmar Vollmert, vrantwortlich, der auch in verschiedene Szenen mit einbezogen wurde, wie hier auf dem Balkon des Foyers, bei dem Eröffnungsrezitat von Wilhelm Meyer
(links)
Mit ihnen spazierten Wilhelm Meyer wieder als Faust oder Mephisto und Christian Seitz als Dr. Wagner gemeinsam diskutierend und sinnierend. Sie begegneten dabei nicht nur einigen wilden Hexen, sondern auch Gretchen, Romeo und Julia.
Die Eröffnung gestaltete die Pianistin Friederike Wiesner mit einer komprimierten Version der Ouvertüre zur Operette „Die Fledermaus". Meyer begann mit Auszügen aus Faust, der Tragödie erster Teil,
dem „Prolog im Himmel" und dem „Vorspiel auf dem Theater". In den anschließenden Applaus mischten sich bereits erste „Bravo!"-Rufe. Die große Liebe Meyers zu schöner Sprache, gepaart mit seinem
flüssigen, freien Vortrag sicherte ihm erneut die Bewunderung seines treuen Publikums. Alle Passagen aus den Werken der Dichter hatte er eigens ausgesucht und zu einem Programm zusammengestellt.
Wilhelm Meyer als Faust im Gespräch mit Dr. Wagner (Christian
Seitz)
Neben Goethes Faust I und II brachte er einige Gedichte Ludwig Uhlands zu Gehör. Shakespeare steuerte unter anderem Zitate aus „Viel Lärm um Nichts" bei. Schillers Werk wurden „Der Handschuh" und das Liebesgedicht „Die Entzückung an Laura" entnommen. Wunderbar berührend waren diejenigen Verse, bei denen Meyer von Wiesners einfühlsamem Spiel auf dem Piano begleitet wurden.
Immer wieder stellte Meyer humorvoll und augenzwinkernd Bezüge zu Kriftel, dem Obstbau, dessen erweiterte Erzeugnisse (Wein!) und sogar zur französischen Partnergemeinde Airaines her. In den Wortbeiträgen des Bürgermeisters, seit dem literarisch-musikalischen Osterspaziergang im letzten Jahr erklärter Faust-Fan, schimmerten immer mal sein Amt und die Eintracht-Liebe durch. Auch er trug alles auswendig vor.
Wie bereits bei den letztjährigen „Spaziergängen" wechselten sich wortgetreue Rezitationen mit amüsanten Sketchen und thematisch passenden Musikbeiträgen ab. Die Sopranistinnen Britta Stegmann und
Selina Post, die Mezzosopranistin Andrea Post und der Bariton Carsten Vollmert gaben, begleitet und bereichert von Frederike Wiesner am Flügel, den wortgewaltigen Bildern der Dichtkunst einen
glanzvollen Rahmen.
Die Pianistin Friederike Wiesner begleitete die Sopranistinnen Britta Stegmann
(linkes Bild) bei den musikalischen Einblendungen. Im Bild rechts die Mezzosopranistin Andrea Post bei ihrem Musikbeitrag
So wurde die Blocksberg-Szene noch lebendiger durch Mendelssohns Hexenlied und Brahms Mainacht, beide hervorragend gesungen von Britta Stegmann in Bestform. Die traurigen Lieder „Lascia ch`io pianga" (Händel) und Glucks „Ach, ich habe sie verloren" (interpretiert von Mutter und Tochter Post) verdeutlichten eindrucksvoll das Liebesleid von Faust und Gretchen. Carsten Vollmert stellte mit Schumanns „Die beiden Grenadiere" unter Beweis, dass seine Stimme auch in den tieferen Lagen ausgezeichnet klingt. Alle Gesangsstücke wurden überzeugend interpretiert.
Zu guter Letzt sangen Britta Stegmann und Andrea Post das Duett Barkarole so professionell, dass es zu einem musikalischen Highlight der Veranstaltung wurde. Noch vor dem begeisterten Schlussapplaus hallte der Ruf „Spitze!" durch den Saal und drückte damit aus, was alle Anwesenden empfunden haben.
Das Publikum war
gespannt, fieberte mit voller Begeisterung jeder Szene entgegen. Besonders gefiehl ihnen die schöne Ausdruckssprache von Wilhelm Meyer, der alle vorgetragenen Texte zusammengetragen und zu einem
Programm zusammengestellt hatte. Fotos (7): Ralph Delhees
Nach zwei Stunden ging ein gelungener Nachmittag zu Ende. Goethe selber, wäre der Meister persönlich anwesend gewesen, hätte sicher seine Freude an diesem kunstsinnigen Programm gehabt. Vielleicht hätte er dann, in Abwandlung eines seiner Zitate, ausgerufen: „Mein Kriftel lob ich mir! Es ist ein klein‘ Paris und bildet seine Leute."