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Kunst & KulturLiteratur › „Schillerlocken“ – wortgewaltig, humorvoll und musikalisch dargebracht

„Schillerlocken“ – wortgewaltig, humorvoll und musikalisch dargebracht

Eine Hommage des Rezitators Wilhelm Meyers an Friedrich Schiller den Ehrenbürger Frankreichs - Teils schwere Kost u.a. mit Rossinis „Galopp" und Beethovens „An die Freude" leicht gemacht           von Christine Diegelmann

30.06.17 || altaltKRIFTEL (29. Juni 2017) - Das Rat- und Bürgerhaus füllte sich zögerlich am späten Nachmittag des vergangenen Sonntag - das Wetter schön warm, die Fußballer kickten, gefeiert wurde beim Höchster Schlossfest, dem KreisStadtSommer in Hofheim, beim Bad Homburger Sommer, beim Rheingau Musik Festival, die Schwimmäder lockten und in den privaten Gärten -, dennoch war um 17 Uhr das große Foyer und die Galerie bestens gefüllt. Nach Goethe war es nun Friedrich Schiller, der die treue Fangemeinde „aufs neu in diesem Saale" vereinigte. Anlässlich seines 225-jährigen Jubiläums, sich „Bürger von Frankreich" nennen zu dürfen (wir berichteten ausführlich), sowie der 20-jährigen Städtepartnerschaft mit Airaines hatte der Journalist Wilhelm Meyer nach bewährtem Muster ein Programm aus frei rezitierten Texten, Sketchen und musikalischen Einlagen zusammengestellt, in dessen Mittelpunkt diesmal Johann Christoph Friedrich von Schiller stand.

Friedrich Schiller‘s Locken sollen Pate gestanden haben für die süßen „Schillerlocken", die heute kaum noch in Konditoreien einen Platz haben. Eigens für den Rezitations-Nachmittag stellte sie ein Krifteler Konditor her. Die „Schillerlocken" wurden ebenso wie Kleingebäck, Krifeler Erdbeeren aus dem Pappkörbchen und Hochheimer Wein gerne während dem zweistündigen unterhaltsamen literarischen Exkurs angenommen

Die musikalische Leitung lag wie immer in den bewährten Händen von Dietmar Vollmert, der aber krankheitsbedingt nicht zur Veranstaltung kommen konnte. In der Erläuterung der musikalischen Beiträge vertrat ihn gekonnt die Pianistin Friederike Wiesner. Ebenfalls wieder mit von der Partie war Bürgermeister Christian Seitz, der als Dr. Wagner Anklänge an Goethe einstreute. Für den musikalischen Wohlklang sorgten der Bariton Carsten Vollmert, die Sopranistin Britta Stegmann und Mezzosopranistin Selina Post.

Musik greift Schillers Werke auf


Nach einer Begrüßung und Einführung in das Thema durch Bürgermeister Christian Seitz erläuterte Friederike Wiesner den musikalischen Teil, der durchgehend Schillers Arbeiten aufgriff. Gleich drei der Musikstücke stammten aus der Feder von Franz Schubert, der einige Gedichte von Schiller in Teilen vertont hatte. Aus „Die Götter Griechenlands" hatte er die Zeile „Schöne Welt, wo bist du?" zur zentralen Frage seiner Interpretation gemacht. Britta Stegmann setzte zu dem klagenden Text mit ihrer klaren, hellen Stimme einen reizvollen Kontrast.

Das Stück „Gruppe aus dem Tartarus" hingegen bezeichnete Wiesner als fast nicht singbar und irgendwie ratlos machend. Dennoch verlieh Carsten Vollmert diesem düsteren Lied große Intensität und den richtigen schaurigen Ausdruck. Dem Strophenlied „Des Mädchens Klage" verhalf Selina Posts zarte Stimme zu großer Glaubwürdigkeit.

Die anderen drei der insgesamt sechs Musikeinlagen waren Opernarien. Aus Verdis „Don Carlos" stammten derer gleich zwei, die in Kostümen und mit Requisite vorgetragen wurden: In „Sie hat mich nie geliebt" beklagt sich der spanische König Philippe II (Carsten Vollmert) über seine junge Frau Elisabeth und mit dem „Schleierlied der Eboli" versucht die Prinzessin Don Carlos zu umgarnen. Selina Post gelang im roten Schleier eine sowohl optisch als auch musikalisch überzeugende Darbietung mit orientalisch anmutenden Koloraturen. Die dritte Arie „Sombre forêt" stammte aus Rossinis Oper „Wilhelm Tell". Britta Stegmann sang sie in der Originalsprache Französisch.

Den Start in das Programm gestaltete die Pianistin Wiesner selber mit dem rhythmisch-flotten „Galopp" aus der Ouvertüre zu Wilhelm Tell (Gioachino Rossini). Hierbei handelte es sich um einen Ausschnitt, ein Prinzip, dass dem Abend insgesamt zugrunde lag. Die oft mehr als zehn Strophen langen Werke hätten den Rahmen dieser Soiree gesprengt, ganz zu schweigen von den Dramen und Schauspielen.

Ehrengäste und Liebesgedichte


Wie in den vorangegangenen Rezitationsveranstaltungen begann Wilhelm Meyer von der Empore herab mit einem Prolog, in dem er Teile von Goethes Nachruf auf seinen Dichterfreund, den „Epilog zu Schillers Glocke", verwendete. „Die Welt verdankt ihm, was er sie gelehrt", hatte Goethe darin gelobt. So erwies er, der gute Freund, quasi als Ehrengast, dieser Jubiläumssoiree die Ehre. Aber auch ein Familienmitglied Schillers war zugegen: Eine echte Nachfahrin gleichen Namens, Juristin und „DRK-Dame mit Herz", aus dem benachbarten Hofheim.

Die ersten Gedichte beschäftigten sich mit den Themen Schöpfung, Natur und Liebe. Insbesondere „Die Entzückung an Laura", „Das Mädchen aus der Fremde" sowie „An Minna" offenbarten die sensibelste Seite des Dichters. Beim berühmten „Handschuh" erhielten die Schlussworte „Den Dank, Dame, begehr ich nicht" hörbare Unterstützung aus dem Publikum. Auch an anderen Stellen zeigte sich, wie sehr, neben Goethes, auch Schillers Worte noch immer den heutigen Sprachgebrauch prägen. Von den „Pappenheimern" bis zur „hohlen Gasse" - hier hörte man sie jeweils im originalen Zusammenhang.

Bei den Versen über die Kindsmörderin Luise hingegen drängte sich wieder der Vergleich mit Goethe auf. Aber während dessen Gretchen der Sprung in die Transzendenz und damit die Rettung von oben gelingt, bleibt Schillers Luise eine „Herzvergifterin". Den Abschluss des Gedichtteils gestalteten Meyer und Wiesner gemeinsam, als sie die „Würde der Frauen" mit einigen am Flügel gespielten Takten aus Schuberts „Impromptu, Op. 142" untermalten.

Balladen, Dramen und Sketche


In die Balladen führte Meyer mit seinen eigenen Jugenderinnerungen an die Schulzeit ein. Von Samstag, 5. Stunde, bis Montagmorgen musste so manches Werk, Strophe um Strophe gelernt sein. Eine kindliche Last, die ihm später - sehr zur Freude des Publikums - zur Lust wurde. Auswendig und ohne ein einziges Mal ins Stocken zu geraten, lebendig und mit Leidenschaft trugt Wilhelm Meyer große Teile aus Schillers Gedichten, Balladen und Dramen vor. Darunter waren „Der Ring des Polykrates", „Der Taucher", „Die Bürgschaft", „Ritter Toggenburg" und einige der Strophen von „Der Gang nach dem Eisenhammer". Im letzten Abschnitt der Veranstaltung behandelte Meyer Ausschnitte aus den Dramen „Die Braut von Messina", „Wilhelm Tell", „Die Jungfrau von Orleans" und „Don Carlos".

Aufgelockert wurde die teilweise eher „schwere Kost" durch drei in Alltagsprosa gehaltene Sketche. Im Dialog fabulierten Bürgermeister Christian Seitz und Wilhelm Meyer über Kriftel, dessen Werte sowie über die (Krifteler) Eintracht.

Bürgermeister Christian Seitz beim Entrollen der Europafahne

Nach einem Epilog Meyers („Die Worte des Glaubens" und „Hoffnung") stimmten die Protagonisten zum Abschluss gemeinsam mit den Zuschauern die Beethoven-Vertonung „An die Freude" an, zu der Bürgermeister Seitz von der Empore herab die Europaflagge entrollte

Meyers flüssiger und enthusiastischer Vortrag doch recht schwieriger Texte fand im Publikum wieder große Bewunderung. Allein die Verständlichkeit war nicht von jedem Platz aus durchgängig gegeben. Dennoch überzeugte das Konzept einmal mehr, zumal es im weiten Umkreis von Kriftel wirklich einzigartig ist. Nach der vierten Rezitationsveranstaltung wurde der Ruf nach einer Fünften gleich nach dem reißenden Beifall laut. Gespannt darf man darauf sei, was der Journalist Wilhelm Meyer für das kommende Jahr plant. Die Auguren sollen gehört haben, dass es unter anderem eine Rezitation um Heinrich Heine* werden könnte.

* Christian Johann Heinrich Heine (geboren am 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf, Herzogtum Berg; gestorben am 17. Februar 1856 in Paris) war einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Quelle: Wikipedia

Der Beitrag von Christine Diegelmann wurde leicht ergänzt durch Ralph Delhees