25.04.12 || DARMSTADT
(25. AQpril 2012) - Der Krankenstand in Hessen ist 2011 auf 3,7 Prozent gestiegen (2010: 3,5 Prozent). Er erreichte damit den höchsten Stand in den vergangenen 15 Jahren. Von 1.000 erwerbstätigen
DAK-Versicherten waren 2011 im Schnitt pro Tag 37 Arbeitnehmer krank gemeldet. Ein DAK-Versicherter fehlte in Hessen durchschnittlich fast 14 Tage.
Uwe Senfleben, Chef des Regionalzentrums Frankfurt der DAK-Gesundheit, warnt jedoch davor, diese Steigerung falsch zu interpretieren. „Bei der Entwicklung des Krankenstandes zeigen sich über alle Branchen hinweg bereits die ersten Anzeichen des demografischen Wandels", kommentiert er den Trend. „Laut Bundesagentur für Arbeit sind die Belegschaften schon heute älter als vor zehn Jahren. Ältere Mitarbeiter sind seltener, aber deutlich länger krank als Jüngere". Senfleben prognostiziert, dass aufgrund der Demografie der Krankenstand auch in den nächsten Jahren steigen wird, wenn Unternehmen nicht durch Prävention gegensteuern. Die DAK-Gesundheit stehe für Firmen als Partner für betriebliches Gesundheitsmanagement bereit.
Ungebrochen ist auch der Trend bei den psychischen Erkrankungen: 2011 gingen 12,9 Prozent aller Ausfalltage auf das Konto psychischer Leiden, 2010 waren es noch 11,5 Prozent. Damit schoben sich
Depressionen & Co. in Hessen erstmals auf Platz 3 der wichtigsten Krankheitsarten vor. Mehr Ausfalltage verursachten nur Muskel-Skelett-Erkrankungen sowie Atemwegsinfekte. Seelische Krankheiten
dauern meist lange: Im Schnitt fehlte ein Betroffener in Hessen mit diesem Krankheitsbild 30 Tage. „Da lohnt es sich, in Gesundheit und Stressbewältigung zu investieren. Auch ein gutes Betriebsklima,
positive Führungskultur und familiengerechte Arbeitsplätze spielen für die Vermeidung psychischer Erkrankungen eine Rolle", so Senfleben. Neben den psychischen Erkrankungen sind in Hessen auch die
Fehltage bei Erkrankungen des Atmungssystems sowie Verletzungen gestiegen: 2011 legten sie im Vergleich zum Vorjahr um rund sechs und vier Prozent zu.
Der Krankenstand in Hessen liegt leicht über dem Bundesniveau von 3,6 Prozent. Die DAK-Mitglieder waren häufiger krank als im Bundesdurchschnitt: Je 100 Mitglieder zählte die DAK im letzten Jahr 120 Erkrankungsfälle (bundesweit 115). Der einzelne Krankheitsfall war in Hessen mit durchschnittlich elf Tagen etwas kürzer als im Bundesdurchschnitt (11,5 Tage). Untersucht wurden die Krankschreibungen von rund 224.000 erwerbstätigen DAK-Mitgliedern in Hessen. Das Berliner Forschungsinstitut IGES hat den DAK-Gesundheitsreport 2012 für Hessen erstellt.
In den Mittelpunkt des Reports stellte die DAK-Gesundheit das Thema Herzinfarkt und Arbeitswelt. In den Industrieländern sinkt seit 30 Jahren die Anzahl von Personen, die an einem Herzinfarkt
sterben. Dieser Rückgang ist unter anderem auf eine Reduzierung des Nikotinkonsums bei Männern und weniger Bluthochdruck bei Frauen zurückzuführen. Hinzu kommen bessere Diagnose- und
Behandlungsmöglichkeiten.
Zwar sterben weniger Menschen am Herzinfarkt, jedoch sinkt bei Arbeitnehmern die Zahl der Krankenhausbehandlungen bei Herzinfarkt seit Jahren nicht mehr. Das Herzinfarktrisiko steigt ab einem Alter von 55 Jahren stark an. Angesichts alternder Belegschaften ist diese Entwicklung auch für die Arbeitswelt relevant. Das war Anlass für die DAK-Gesundheit, die Herzinfarkt-Gefährdung speziell der Erwerbstätigen genauer zu analysieren. Gibt es neue, bisher zu wenig berücksichtigte Risikofaktoren bei Berufstätigen, die in arbeitsbedingtem Stress oder im sozialen Umfeld liegen können? So ist beispielsweise bekannt, dass schwere Depressionen das Herzinfarktrisiko um 60 bis 100 Prozent erhöhen. Bislang wurde das Augenmerk vornehmlich auf die klassischen Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Fettleibigkeit gelegt. Der DAK-Gesundheitsreport 2012 geht demgegenüber besonders dem Zusammenhang von Herzinfarkt, Job-Situation und psychischen Belastungsfaktoren nach.
Um die Verbindungen von Herzinfarkt und Arbeitswelt genauer zu analysieren, hat die DAK-Gesundheit eine repräsentative Befragung von über 3.000 Berufstätigen durchgeführt. Der Gesundheitsreport zeigt
ein interessantes Ergebnis: Die in den Medien geführte Debatte um Burn-out und psychische Belastungen am Arbeitsplatz lässt erwarten, dass ein großer Anteil der Arbeitnehmer gesundheitlich stark
gefährdet ist. Die Analysen des Gesundheitsreports ergaben, dass mit 8,5 Prozent gut jeder zwölfte Befragte in Hessen unter einer sogenannten beruflichen Gratifikationskrise leidet. Der Anteil liegt
damit etwas unter dem bundesweiten Wert von 9,3 Prozent.
Als Gratifikationskrise wird eine besondere Form von arbeitsbedingtem Stress beschrieben, die entsteht, wenn für Beschäftigte die Belohnung nicht mehr im ausgewogenen Verhältnis zu ihrer Anstrengung steht. Auf Seiten der Belohnung spielen dabei das Gehalt, die erfahrene Anerkennung, Arbeitsplatzsicherheit und Karrierechancen eine Rolle. Für diesen Personenkreis mit einer Gratifikationskrise besteht ein mehr als doppelt so hohes Herzinfarktrisiko. Auffällig ist, dass Gratifikationskrisen je nach beruflichem Status unterschiedlich häufig sind. So leiden bundesweit Facharbeiter mit 11,2 Prozent überproportional daran, ebenso Arbeiter mit 10,8 Prozent. Unterdurchschnittlich von einer Gratifikationskrise betroffen sind Selbstständige und Freiberufler mit 3,9 Prozent sowie Beamte im höheren Dienst mit 6,7 Prozent.
Beschäftigte mit einer Gratifikationskrise haben nicht nur ein höheres Herzinfarktrisiko, sondern jeder Zweite von ihnen schätzt auch seinen Gesundheitszustand sehr viel schlechter ein. Sie haben
tatsächlich auch häufiger gesundheitliche Probleme. Stimmungsschwankungen verbunden mit Angst oder Hilflosigkeit treten bei ihnen dreimal so häufig auf wie bei Beschäftigten, die nicht von Stress
betroffen sind. Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit kommen bei Gestressten fast doppelt so häufig vor. „Obwohl diese sehr gestressten Arbeitnehmer um ihr erhöhtes Gefährdungspotential wissen, belegt
der Report, dass sie sich nicht stärker um ihre Gesundheit kümmern als andere Beschäftigte. Hier sollten Unternehmen mit ihrem betrieblichen Gesundheitsmanagement ansetzen, um die Betroffenen zu
unterstützen. Die DAK-Gesundheit hilft dabei gerne", so Regionalchef Uwe Senfleben.
Jeder vierte Befragte in Hessen fühlt sich stark oder sehr stark durch ein vermehrtes Arbeitsvolumen belastet. Häufiger Zeitdruck bei der Arbeit ist für beinahe genauso viele (24,9 Prozent) Befragten
eine Belastung. Unterbrechungen und Störungen werden als Stressor von mehr als jedem Fünften genannt. Diese genannten Belastungswerte liegen in Hessen höher als im Bund. Dreizehn Prozent geben als
Belastung viel Verantwortung und acht Prozent häufige Überstunden an. Psychosoziale Belastungen haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Möglicherweise stehen diese wachsenden Beanspruchungen mit
den steigenden Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden in Zusammenhang. „Wenn psychische Erkrankungen weiterhin so zunehmen, vergrößert sich auch das Risiko für mehr Herzinfarkte", so
Senfleben. Beinahe jeder Vierte (24 Prozent) in Hessen empfindet ein Ungleichgewicht zwischen Bezahlung und erbrachter Leistung. Rund 19 Prozent der Befragten fühlen sich vom Chef zu wenig anerkannt.
Knapp 17 Prozent sind belastet, weil sie eine Verschlechterung ihrer Arbeitssituation befürchten oder tatsächlich erfahren.
Soziale Beziehungen im Job können helfen, Stress zu reduzieren. Erfreulich: Rund zwei Drittel der bundesweit Befragten geben ein vertrauensvolles Verhältnis mit den Kollegen an. 16 Prozent sagen,
dass ihr Arbeitgeber ihnen hilft, sich vor Stress zu schützen. Demgegenüber werden als negative Stressoren Arbeitsaufgaben genannt, die der Befragte anders erledigen würde, als es seinen Vorgaben
entspricht. So geben gut 16 Prozent an, dass sie bei der Arbeit häufig Dinge tun müssen, die sie anders erledigen würden. Weitere Belastungen: Rund jeder zehnte Beschäftigte in Deutschland bekommt
oft widersprüchliche Anweisungen von zwei oder mehr Personen. Vor allem für Dienstleistungsberufe gilt: Sich widersprechende Anforderungen - etwa von Kunden und Vorgesetzten - sind ein starker
Stressor. Auch Umstrukturierungen gelten als Belastungsfaktor für psychosozialen Stress.
Über die Hälfte der Fehltage wird durch drei Krankheitsgruppen bestimmt: Die prominenteste Rolle im Krankheitsgeschehen spielen Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems. Auf sie entfallen mehr als ein
Fünftel (21 Prozent) aller Krankheitstage. An zweiter Stelle stehen Krankheiten des Atmungssystems mit einem Anteil von 17 Prozent am Krankenstand. An dritter Stelle der wichtigsten Krankheitsarten
stehen mit knapp 13 Prozent die psychischen Erkrankungen.
Die Branchen mit den niedrigsten Krankenständen waren 2011 die Banken und Versicherungen sowie die Bildung, Kultur und Medien mit 3,0 sowie 2,6 Prozent. Unter dem Durchschnitt lagen auch die
Krankenstände bei Rechtsberatung / andere Unternehmensdienst-leistungen mit 3,3 Prozent, Sonstiges verarbeitendes Gewerbe mit 3,5 Prozent sowie im Handel mit 3,6 Prozent.
Den höchsten Krankenstand weist erneut die Öffentliche Verwaltung mit 4,4 Prozent auf. An zweiter Stelle folgt das Gesundheitswesen mit 4,3 Prozent und an dritter Stelle die Sonstigen Dienstleistungen mit 3,7 Prozent.
IGES steht für Forschung, Entwicklung und Beratung in den Bereichen Infrastruktur und Gesundheit. Zu den wichtigsten Arbeitsfeldern des Berliner Instituts zählen die Versorgungsforschung und die Gesundheitsberichterstattung. Besonders auf dem Gebiet der Auswertung von Routinedaten der Gesetzlichen Krankenversicherung hat sich das IGES in mehr als 30 Jahren einen Namen gemacht. www.iges.de (cu/dak)