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An den Pomologen Richard Zorn erinnert derzeit ein Pseudoweg

Antrag im Ortsbeitrag seit November 2011 auf Eis - Zorn-Weg andernorts erhalten - Alle Fraktionen dafür           von Wilhelm Frankfurt

02.04.14 || altHOFHEIM (01. April 2014) - Der Richard-Zorn-Weg in Hofheim ist über die Stadt hinaus bekannt, weil er an den bedeutenden Pomologen Richard Zorn (1860-1945) erinnert, mit dem Erkenntnisse und Umsetzung für den Obstanbau in Stadt und Region untrennbar verbunden sind. Der bestehende Weg in Hofheim erscheint dem Ortsbeirat Kernstadt derzeit „praktisch ohne Funktion, weil er gewissermaßen im Werksgelände der Firma Mohr aufgegangen ist".

Ein Prüfantrag aller Fraktionen schlägt deshalb die „Entwidmung" des bekannten Wegs an der Hattersheimer Straße vor, um andernorts in der Stadt diese Wegwidmung Zorn wieder aufleben zu lassen. Daher wird der Magistrat gebeten, den Rad- und Fußweg, vorbei an der neuen Rathausaufstockung, von der Elisabethenstraße bis hin zum Schmelzweg als Richard-Zorn-Weg zu benennen.

Bernd Wischert machte dazu die Anregung, an einer Stelle längs des Wegs einen Apfelbaum zu pflanzen, um die Namensgebung zu verdeutlichen. In diesem Zusammenhang machte Erster Stadtrat Wolfgang Exner darauf aufmerksam, dass es einen „Richard-Zorn-Apfelgarten" unterhalb der Speedwaybahn gebe. Er sei vor etwa zwei Jahren so benannt worden. Der Prüfantrag wurde erwartungsgemäß einstimmig verabschiedet.

Über die Persönlichkeit Zorn‘s besteht eine verblasste Erinnerung bzw. Unkenntnis


Eine aktuelle Anfrage der SPD-Fraktion dazu im Ortsbeirat Kernstadt führt auf den „gemeinsamen Antrag aller Fraktionen" vom 20. November 2011 zurück und stellt dann lapidar fest: „Dieser Vorgang ist mittlerweile fast zweieinhalb Jahre her..." Ebenso lapidar bis beinah hilflos achselzuckend antwortete Erster Stadtrat Wolfgang Exner darauf jetzt: „Dieser Vorgang ist krankheitsbedingt (noch) nicht beantwortet worden."

Was danach im Ortsbeirat auffiel, dass über die Persönlichkeit Richard Zorn und seine herausragende Bedeutung für den Obstanbau in Hofheim, Kriftel und weiter in der Region vielleicht nur noch eine verblasste Erinnerung bis Unkenntnis besteht.

Unser Mitarbeiter, Wilhelm Frankfurt, versuchte in dieser Sitzung im Rahmen der „Bürgerfragestunde" am Ende etwas Aufklärung über Zorn im Ortsbeirat zu schaffen oder seine Bedeutung bei diesem und jenem Mitglied wieder aufzufrischen. Das gelang vielleicht unter dem Dunst des üblichen, ironischen Scharmützels zwischen Hofheim und Kriftel. Was an Lehre aus dieser Sitzung auch zurück bleibt ist aber, noch einmal an Zorn und seine bahnbrechenden Erkenntnisse in Theorie und Praxis zum (Erwerbs-) Obstanbau zu erinnern.

Dazu half dem Schreiber dieses Beitrages der Stadthistoriker Günter Rühl mit seinen Unterlagen über Zorn weiter. Er schrieb über ihn im Juni 1961 einen Artikel. Die Adoptivtochter Zorns, Frau Petersen, stellte Rühl dafür Unterlagen zur Verfügung.

„Pomologisches Institut"


Organisierter Obstanbau größeren Stils gewann in Folge des Dreißigjährigen Kriegs (1618-1648) in Deutschland Bedeutung, um alle Möglichkeiten der Nahrungsmittelproduktion auszuschöpfen. Obsterwerbs-Nebenanbau wie Landwirtschaft dieser Art halten sich seit der Industriealisierung in Deutschland und Rhein-Main. Tafelobst aus Erwerbsobstanlagen als wirtschaftliche Produktion regionaler Erzeuger zu Eigenvermarktung bis hin zu Genossenschaft und „Konserve" ist von neuerer Art. Der Sachse und spätere Wahl-Hofheimer Richard Zorn hat dazu einst in Stadt und Region wichtige Grundlagen geschaffen, die weiter wirken.

altRichard Zorn schuf in Hofheim sein Zentrum für Baumschulwesen und Erwerbsobstanlagen. Der Ortsbeirat Kernstadt will ihm einen zentralen Weg widmen. Fotos (2): Archiv Rühl

Die Gründung der ersten Deutschen Obstbauschule („Pomologisches Institut" - Pomologie, grch. Kenntnis von Obst und Sorten) in Reutlingen Anfang März 1860, wird für Richard Zorn (1860-1945) von Bedeutung, weil er sich in ihr dem Obstanbau, Baumschulwesen und Studium der Obstsortenkunde wissenschaftlich widmen kann.

Schon mit 19 Jahren erhält er vom Deutschen Gärtner-Verband den Ersten Preis für Anlegung und Bepflanzung eines größeren Obstgartens.

Er wechselt bald in die damals größte Baumschule Deutschlands in Trier. Arbeitspraxis eignet er sich an. Im März 1883 tritt er in die belgische Staatsgartenbaulehranstalt bei Brüssel ein. Theorie und Praxis stehen auf dem Lehr- und Arbeitsplan. Es gibt erste Veröffentlichungen von ihm in der „Deutschen Gärtner-Zeitung". Er kehrt nach Deutschland zurück und findet in der renommierten Obstbauschule des Züchters Gaucher in Württemberg Anstellung. Es folgt ein Aufenthalt in der Formobstschule Stuttgart-Feuerbach, dann der Wechsel nach Berlin Mitte 1884. Er entschließt sich zur Selbständigkeit im Bereich Tafelobstzüchtung, für die damals noch kein eigenes Berufsbild bestand.

Hofheim wird 1884 seine zweite Heimat und er baute Kern-, Stein- und Beerenobst an


Er hatte damit sein Thema und auch einen „Markt" gefunden, stößt auf Interesse und gründet eine Spezial-Baumschule. Ein Veröffentlichung in „Möllers-Gartenzeitung" weist ihn auf die Gegend Frankfurt/Main - Wiesbaden hin.1884 siedelt er sich in Hofheim am Taunus an. Die Stadt wird nach seiner Geburtstadt Groß-Schierstadt seine zweite Heimat. Er kaufte Grundstücke auf dem Hochfeld und an der Hattersheimer Straße. Was hier am besten gedieh, das baute er an Kern-, Stein- und Beerenobst an. Ebenso viele Sorten Erdbeeren.

Im Herbst 1887 pachtete er zehn Morgen (etwa zweieinhalb Hektar, ha) Land von der Gemeinde Kriftel an. 1894 baut er bereits auf 35 Morgen Land an (knapp neun ha). Er unterhält den Obstbaumschulbetrieb bis 1906. Danach konzentriert er sich einzig auf Obstanbau, Obstkulturen, Vermehrung und Versand von Erdbeerpflanzen. Er beschäftigt Obergärtner, Gehilfen, Arbeiter und auch Frauen.

Er wird Mitglied des Deutschen Pomologischen Vereins, der später Obstbau-Gesellschaft wird und ihn als Vorstandsmitglied aufnimmt. Staatsmedaillen belohnen seinen Einsatz. Er konzentriert sich auf Obstsortenkunde und Heimatforschung. Von 1908 bis 1928 verpachtete und verkaufte er Grundstücke an die Stadt Hofheim.

Zorn gilt als „Pionier der Obstzucht"


Er publiziert wieder in der Fachpresse und gilt in Fachkreisen als „Pionier der Obstzucht". Kreisobstbauinspektor Horn schreibt 1932, dass der Obstanbau in Hofheim seine Leistungsfähigkeit und seinen Umfang dem Züchter und Pomologen Richard Zorn verdanke. Der hatte auch die günstigen Klima- und Bodenverhältnisse hier erkannt.

Er wird in Hofheim1887 auch Mitbegründer des „Hofheimer Obst- und Gartenbauvereins". Der ehrte Zorn anlässlich seines 50-jährigen Bestehens 1937 und nennt ihn „die Triebfeder für die Schaffung von Erwerbsobstanlagen".

Zorn erwirbt 1898 ein Patent auf Wellpappringe: Diese „Hofheimer Fanggürtel" erweisen sich als „bestes Vertilgungsmittel" gegen Obstmaden.

Umsichtiger Heimatforscher


Er wandert, erkundet und publiziert darüber. Das „Grenzsteinbuch" (1931) über Rhein-Main wird sein bedeutendstes Werk. Er regt ein Buch über Trachten an: Es erscheint das „Nassauische Trachtenbuch". Verlustlisten des Ersten Weltkriegs wollte er zu einem einzigen Werk zusammenfassen. Er betrieb des Weiteren Familienforschung und Wappenkunde. Er stirbt im März 1945. Er ist auf dem Hofheimer Waldfriedhof beerdigt.

Zur Erinnerung ein Apfelsortengarten


Ein Apfelsortengarten zwischen Marxheim und Diedenbergen wurde 2010zur Erinnerung an Richard Zorn anlässlich seines 150. Geburtstages nach ihm benannt. Seit 1997 werden auf der Obstwiese unterhalb der Speedwaybahn von dem Main-Taunus Streuobst e.V. 106 alte und neue Apfelsorten angepflanzt. Die Sortenvielfalt soll durch die 103verschiedenen Apfelsorten und zwei Speierlinge so erhalten bleiben. Aus Anlass der Namensgebung schenkte zu dem Ereignis der Hessische Pomologenverein dem Main-Taunus Streuobst e. V. eine seltene alte Sorte, die Richard Zorn beschrieben hatte: die Bischofsmütze. Sie stammt ursprünglich aus Bischofsheim bei Hanau. Auf zwei Tafeln wird am Apfelsortengarten das Leben und Wirken des „Pionier der Obstzucht" geschildert.

Der Apfelsortengarten ist über Feldwege gut zu Fuß von Diedenbergen und Marxheim aus zu erreichen. Er befindet sich am Weg, der direkt unterhalb der Speedwaybahn verläuft, und ist etwa 300 Meter in Richtung Marxheim gelegen.

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