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Aus Liebe zum Wein: Bauingenieur als ältester Geisenheimer Student

Gernot Wolperding und sein erfülltes Leben vom Bauingenieur zum Oenologen mit 73 Jahren           von Karl-Heinz Stier

04.04.19 || altWIESBADEN-BIEBRICH (04. April 2019) - Der studierte Bauingenieur war nicht nur Angestellter bei einer Firma in Idstein, sondern später auch Firmeneigner für besonders schlanke Stahl-Verbund-Bauweise bei der Planung und Ausführung großer Hallen und hatte dabei Patente entwickelt, die sich sehen lassen konnten. Seine Tätigkeiten bewies er zum Beispiel bei der Konstruktion der Hamburger Elbphilharmonie, dem Parkhaus des Wiesbadener Luisen-Forums und dem Stahlbau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt.

Die Liebe zum Wein stellte sich freilich erst später ein. Zwar hatte er in seiner Jugendzeit in Hannover bei seinen Eltern schon Rheinhessen-Wein aus Bechtheim gekostet, aber der war im zu süß. Er schätzte lieber trockene Weine.

Gernot Wolperding beim Studium in Geisenheim. Foto: Privatarchiv Wolperding

Tochter hatte die Idee
zur Bewältigung des Ruhestandes


Als er das magische Jahr 65 überschritten und die Firma seinem Neffen übergeben hatte, war für den „Streber" - wie ihn seine Frau betitelte - und die in ihrem Haus keine eigenen Aktivitäten duldete, guter Rat teuer, wie er seinen Ruhestand bewältigen und genießen konnte. Doch ein Engel in Gestalt seiner ältesten Tochter hatte eine blendende Idee. Da schon zeitlebens seine Vorliebe dem Wein galt, schenkte sie ihm ein Gastsemester an der Hochschule in Geisenheim. Er war 70 Jahre alt, als er sich im Wintersemester 2013/14 dort für Oenologie und Kellerwirtschaft einschrieb. - „Meine Frau war froh, dass ich aus dem Haus war". - Nach dem Gastsemester folgte ein halbjähriges Vorpraktikum beim Weingut Spreitzer und ab dem Wintersemester 2014/15 das Vollstudium.

Anfängliche Skepsis gegen den „Papa ante portas" wandelte sich schnell


Anfangs waren seine Kommilitonen ein wenig skeptisch, wie sie dem „Papa ante portas" begegnen sollten. Schließlich war er der älteste Student in Geisenheim und hatte ja einen gewissen Ruf aus seinem früheren Beruf zu verteidigen. Doch bald hatten sie Respekt vor seiner Genauigkeit, zum Beispiel, dass er immer den gleichen Platz einnahm, über seine Eifrigkeit im Studium, ja man gründete sogar gemeinsam einen Freundeskreis, der sich nicht nur beim gemeinsamen Besuch der Fußballspiele von Mainz 05 erschöpfte.

achelorarbeit mit dem Titel: „Untersuchungen zur Hefeflora in einem mit Spontangärungen arbeitenden Betrieb"

Zwischenzeitlich hatte er als Praktikant im Weingut Josef Spreitzer ein Schlüsselerlebnis. In dessen Weinbergen entdeckte er als Praktikant im Monat März beim Blick auf die Mariannenaue und den Rhein, wie die Natur langsam erwachte. Das hat ihn so gefesselt, dass er im Wein ein anspruchsvolles Stück Natur für sich entdeckte. Auch Spreitzer nahm ihn oft zu „Pro Wein- Messe" mit, wo er stets Weinkenner und deren Tropfen kennenlernte.

Hochschulabschluss mit dem Bachelor


Was lag näher, dass sich der „Unruheständler" auch mit einem Studienabschluss und der Bachelorarbeit beschäftigte und die Reaktion von Lageweine auf unterschiedliche Hefen analysierte. Oder anders gesagt, warum manche Weine in bestimmten Fässern besser gären als andere. Beim Oestricher Weingut Spreitzer hatte er ein halbes Jahr seine Ergebnisse zu Papier gebracht und dann in seiner Bachelor-Arbeit ausgewertet. Ihr offizieller Titel: „Untersuchungen zur Hefeflora in einem mit Spontangärungen arbeitenden Betrieb".

Im Juli 2017, im Alter von 73 Jahren, hatte er seine Auszeichnung - Bachelor - in der Tasche und war Weinbauingenieur geworden. Er reiste mehrfach zwischenzeitlich nach Europas Süden, um neue Weine kennenzulernen, z.B. an den Gardasee, in die Toskana, nach Frankreich und andere Landesteile.

Gernot Wolperding in seiner Weinerie beim Überprüfen seiner Bestände (Foto (2): Karl-Heinz Stier

„Wissen möchte ich weitergeben" bei Vorträgen, Seminaren oder in der eigenen Weinerie


Diesen Schatz seiner Erfahrungen und Geschmacksrichtungen vermittelt er dann seinen Kunden in Vorträgen und Seminaren mit Weinproben, z.B. über Weiß- und Rotweine aus Italien, mit Beilagen wie Baguette, Olivenöl und Salz. Dazu hat der nunmehr 75jährige in seinem Garten unterhalb des Wohnhauses gleich neben dem alten Biebricher Bahnhof und der Sektkellerei Henkell eine Weinerie eingerichtet, deren Terrasse 25 Personen Platz bietet. Dort können die Kunden auch seine Weine, die er selbst einkauft, erwerben.

Seine Lebensweisheit umschreibt er abschließend so: „Ich habe im Studium viel gelernt und dieses Wissen möchte ich weitergeben". Wer Interesse an seinen Veranstaltungen hat, kann sich unter der Mail-Adresse Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können. in die Gästeliste aufnehmen lassen oder unter www.weinerie-gw.de informieren.

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