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Menschenkette erinnerte an den Todesmarsch

19. März 2022 - Erinnern und Gedenken an die 1616 Zwangsarbeiter im KZ Katzbach/Adlerwerke - Gedenk-und Bildungsstätte wird am Freitag eingeweiht         von Günter Pabst und Ralph Delhees

24.03.22 || altFRANKFURT (23. März 2022) - Beeindruckend, was der Verein „Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim" (LAGG) an dem sonnigen Samstag an Menschen auf die Beine brachte. Der 1992 gegründete Verein widmet sich der Erinnerung an die vielen Opfer des KZs in den Adlerwerken. Das KZ-Adlerwerke war ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler (Elsass), wurde am 22.08.1944 fertiggestellt und erhielt den Decknamen „Katzbach". Mit Unterstützung der Frankfurter Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig wird am Freitag, 25. März  endlich die seit Jahren geforderte Erinnerungs- und Bildungsstätte zum KZ „Katzbach" und der Zwangsarbeit in Frankfurt Wirklichkeit. Der "Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager" in der Kleyerstraße 17 hat im historischen Gebäudekomplex der ehemaligen Adlerwerke seine Räumlichkeit gefunden. Ziel ist es eine Gedenkstätte und Bildungseinrichtung nach über 30jähiger Planung nun zu erfüllen.

Am 19. März, aus Anlass des 77. Jahrestages des Todesmarsches aus dem KZ, bildeten von der Friedensbrücke bis zur Flößerbrücke über eine Strecke von ca. 2000 m 1616 Menschen aus Frankfurt und Umgebung eine Menschenkette. Aus Schwalbach dabei, Norbert Irsch und Günter Pabst vom Arbeitskreis Städtepartnerschaft Olkusz Schwalbach in der Kulturkreis GmbH. Jede/Jeder gab mit seinem Schild einem Zwangsarbeiter einen Namen. Ulla Diekmann, eine der Organisatorinnen/Organisatoren, schilderte das entbehrungsreiche Leben in den Adlerwerken. „Sie sind verhungert, erfroren, an nicht behandelten Krankheiten gestorben, sie wurden erhängt, erschlagen oder erschossen"

.Zwei Mitglieder des Arbeitskreis Städtepartn-erschaft Olkusz-Schwalbach, Norbert Irsch (links)und Günter Pabst haben an der Gedenkaktion an die 1616 Zwangsarbeiter teilgenommen. Foto: Ak Städtepartner-schaft Olkusz-Schwalbach

Viele kamen aus Polen, sie hatten den Warschauer Aufstand überlebt, wurden gefangen genommen und in die Adlerwerke zur Zwangsarbeit verschleppt. Darunter auch Zygmunt Jagowski. Er wurde am 13. Januar 1918 in Olkusz, der Schwalbacher Partnerstadt, geboren und war Landwirt. Sein Todesort ist unbekannt. Vielleicht ist er auf einem der Todesmärsche, am 16.03.1945 nach Bergen-Belsen oder am 24.03.1945 nach Buchenwald, ermordet worden. Günter Pabst, Olkuszer Ehrenbürger, stand für Zygmunt Jagowski und hatte sich nach ihm in Olkusz erkundigt. „Leider gibt es in Olkusz überhaupt keine Spuren mehr von ihm, keine Dokumente, daher ist es mir besonders wichtig, dass ich hier an ihn erinnern kann", so Pabst. Norbert Irsch erinnerte an Jerzy Josef Kamasiński. Er wurde am 01.08.1922 in Łęczno geboren, war Friseur und hat das KZ und den Todesmarsch überlebt und starb am 20.10.1992.

Zur Eröffnung sprach auch die Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig. Sie betonte, wie wichtig das zivilgesellschaftliche Engagement zur Erinnerung an die 1616 Zwangsarbeiter gewesen ist. „Katzbach" sei das mörderischste der KZ-Außen Lager des 3. Reiches gewesen und sie sei froh, dass dieses Gedenken nun auch einen festen Ort in der Stadt bekommen wird. Dr. Andrea Rudorff hat sich mit den Tätern beschäftigt und schilderte, wie unzureichend sie zur Rechenschaft gezogen wurden. Franz Coy schilderte den Todesmarsch von Frankfurt nach Hünfeld. Thomas Sock widmete sich dem Umgang mit dem KZ im Stadtteil Gallus. Lothar Reiniger, der Vorsitzende der LAGG, schilderte das jahrelange Verschweigen der Stadt Frankfurt. Alles nachzulesen in der 30 seitigen Dokumentation „KZ ‚Katzbach‘ Adlerwerke - Geschichte und Aufarbeitung." Bezug: LAGG e.V./ www.geschichtsort-adlererke.de oder über www.kz-katzbach-adlerwerke.de
Musikalisch begleitete Gregor Praml mit eindringlichen Melodien am Kontrabass die Redebeiträge.

Ein Teil der ehemaligen Adlerwerke in der Kleyerstaße, wo im Haus Nummer 17, der „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrations-lager" zu finden ist. Foto: Ralph Delhees

Ulla Diekmann zitierte den im November 2020 verstorbenen Andrzej Branecki, der als Überlebender sich für die Gedenkstätte eingesetzt hat: „Eine solche Erinnerungsstätte brauchen nicht wir persönlich, sondern künftige Generationen, damit sich ein solches totalitäre System wie das im letzten Krieg, in dem Menschen voreinander Angst hatten oder sich töteten, nicht wiederholen kann. ... ich bin mir nicht so sicher, ob etwas Ähnliches nicht wieder einmal irgendwo passieren könnte. So etwas beginnt immer banal. Auch in einem vereinigten Europa muss man darauf Acht geben. ...". „Leider, so Ulla Diekmann, hat er Recht behalten.

Mit Interesse haben die vielen Spaziergängerinnen und Spaziergänger, auf diese Aktion, die den Zwangsarbeitern stellvertretend einen Namen gab, reagiert.

Eröffnung auf der Website miterleben und Veranstaltungen am Wochenende


Nach über 30 Jahren wird die lange geforderte Erinnerungs- und Bildungsstätte zum KZ „Katzbach" und der Zwangsarbeit in Frankfurt Wirklichkeit. Am 25. März wird der „Geschichtsort Adlerwerke: Fabrik, Zwangsarbeit, Konzentrationslager" eröffnet mit einem Festakt im Gallus Theater eingeweiht. Die Veranstaltung wird auf der Website kultur-frankfurt.de/livestream und der Facebook-Fanpage von Frankfurt&Culture ab 18 Uhr per Livestream übertragen. Eine Aufzeichnung kann anschließend unter kultur-frankfurt.de/livestream und über den YouTube-Kanal des Kulturdezernats Frankfurt&Culture abgerufen werden. Informationen zu geplanten Veranstaltungen, dem Team rund um den Geschichtsort und vielem mehr finden sich ab sofort unter geschichtsort-adlerwerke.de. Das Informationsangebot wird kontinuierlich ergänzt und durch Auftritte im Social Web begeitet.

altIn der Ausstellung am Kartentisch von rechts: Kulturdezernentin Dr.Ina Hartwig, Gottfried Kößler (Mit-Kurator Ausstellung), Thomas Altmeyer (Leiter Geschichtsort) Elke Sauter (Vorstand Förderverein) und Gudrun Schmidt (Vorstand Studienkreis) Foto: Ralph Delhees

Das Eröffnungswochenende bietet eine Reihe von Veranstaltungen - Führungen und Gespräche -  für alle Interessierten, so am Samstag, 26. März, von 11 bis 17 Uhr und am Sonntag, 27 März, von 14 bis 17 Uhr.

Gleich nach der Eröffnung soll mit der Ansprache der Frankfurter Schulen und Bildungseinrichtungen begonnen werden. Dank der guten Vernetzung des Geschichtsortes in der Stadt und in der Region gibt es bereits zahlreiche Anmeldungen für Führungen und Workshops.

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