23.06.12 || FRANKFURT (22. Juni 2012) - Über neun Stunden schwerelos mit der Thermik unterwegs, Wasser, Datteln, Käsebrot, Traubenzucker und Sauerstoff im Gepäck: Das ist die Welt von Susanne Schödel
(39). - Das nebenstehende Bild zeigt sie bei der WM2011 in Schweden. - Zwischen Weihnachten und Neujahr flog sie über Namibia und Botswana gleich drei Segelflug-Weltrekorde ein. Die
hauptberufliche Geschäftsführerin des Vereins zur Heilung von Brustkrebs Susan G. Komen Deutschland e.V., die sich in ihrer Freizeit in Langenselbold als Fluglehrerin engagiert, ist bereits
amtierende Segelflug-Weltmeisterin. Nun ist die Frankfurterin auf dem Weg zur nächsten Herausforderung, den Titel zu halten und auszubauen. Die offene Weltmeisterschaft im Sommer 2012 in
Uvalde/Texas, wo Frauen (noch) die Ausnahme sind, ist ihr Ziel.
Was Susanne Schödel außer der fliegerischen Herausforderung noch motiviert? "Über der Hochebene über Namibia sind es das Licht, die Farben, die gigantischen, menschenleeren Gebiete unter den schneeweißen Cumuli. Aus bis zu 4000 Metern Höhe verwischt sich die Landschaft zu unglaublich schönen Strukturen, da zählen keine Details." In dem afrikanischen Land, wo die neue Streckenweltrekordlerin schon mehrere Male vom internationalen Segelflugzentrum Bitterwasser mitten in der Kalahari aus in den Himmel über Afrika startete, hat sie besonders die spektakuläre Naukluft-Gebirgslandschaft in der Namib-Wüste begeistert mit den vielfach marmorierten Gipfeln, tiefen Schluchten und schlängelnden Bächen.
Susanne Schoedel in
Bitterwasser.
In Deutschland kann sie nur trainieren, die Wolken hängen hier zu tief für einen Weltrekord. Dennoch sitzt sie am Wochenende in ihrem weißen Gleiter und fliegt. Über Neustadt und den Titisee im Schwarzwald zum Beispiel, gern auch mal ins Allgäu. Möglichst lange nonstop, denn Streckenflug ist die Königsdisziplin im Segelsport. Im November 2011 reichte ihr Beharrungsvermögen über den Wolken 1.066 Kilometer. Weltrekord. So weit wie noch keine Frau vor ihr. Das geht nur in bestimmten Gebieten dieser Erde, eben Namibia oder Texas, wo Flughöhen danke großer Wolkenhöhe bis 5.000 Meter möglich sind. Im Juni hat sie ihren Flieger über Emden nach Amerika eingeschifft. Im Juli fliegt sie selber hinterher. Bis dahin leiht sie sich fremde Gleiter zum üben.
So viel Energie und Konzentration das Schweben über den Wolken auch kostet, Susanne Schödel bezieht daraus auch Kraft: "Oben in der Luft bin ich ein kleiner, aber fühlbar integraler Teil der Natur", sagt sie, "alles wird eins, das Schwere bleibt zurück." Die Schwere steckt auch im beruflichen Alltag. Die leidenschaftliche Segelfliegerin sorgt werktags dafür, dass möglichst viele Frauen in Deutschland ihr Risiko einschätzen können, an Brustkrebs zu erkranken, und dass erkrankte Frauen die bestmögliche Therapie und Unterstützung erhalten. Als Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins Komen Deutschland koordiniert Susanne Schödel die Spendensammlungen und Vergabe von Geldern, mit denen in Deutschland modellhafte Projekte für konkrete Hilfe und Versorgungsforschung gefördert werden.
"Wir führen in Frankfurt, Hamburg und jetzt auch in Köln den Race for the Cure durch, der zur weltweit größten Fundraising-Veranstaltung gehört." Der Benefizlauf wurde ursprünglich vor 30 Jahren von Komen-Pionierinnen um Nancy G. Brinker in Dallas/Texas erdacht. Die Gruppe wollte damit die Mission von Susan G. Komen erfüllen, die ihrer Schwester Nancy aufgetragen hatte, alles gegen die Erkrankung zu unternehmen, der sie 1980 mit 36 Jahren erlag. Der Lauf gegen Brustkrebs ist neben Veranstaltungen und Marketingkooperationen in vielen Ländern die Methode, Spenden für den guten Zweck zu sammeln. Besonders stolz ist Susanne Schödel auf die "Pink-Infotasche", die von der langjährigen Komen-Vorsitzenden Irene Menzel in Deutschland eingeführt wurde. "Darin steckt das aktuelle Wissen zur Behandlung und Nachsorge bei Brustkrebs. Komen Deutschland sorgt dafür, dass betroffene Frauen in zertifizierten Brustzentren schon am Krankenbett bestens informiert werden über ihre Erkrankung, die Therapie und Hilfsangebote."
Susanne Schödel in den Wolken. Fotos: Privat/rbkw
Dass die Auseinandersetzung mit der letztlich noch nicht hinreichend erkannten Erkrankung nicht immer leicht ist, verhehlt Susanne Schödel nicht. "Aber es ist gut zu wissen, dass ich das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, mit gesunder Ernährung und Bewegung verringern kann, und die Risikogruppen darüber hinaus mit engmaschiger Früherkennung ihre Heilungschancen sehr erhöhen." Wenn sie in ihrer Freizeit gerade mal nicht wieder erfolgreich unter den Wolken rings um das Rheinmaingebiet den Kampf mit den Elementen aufnimmt und dabei die Erdenschwere abstreift, joggt sie für die Ausdauer am Boden. Und natürlich ist sie nicht nur in Deutschland am Start des Race for the Cure dabei.
"Schade, dass zur Zeit der Segelflug-WM im Mutterland des Benefizlaufs gerade kein Race for the Cure stattfindet", bedauert sie, "das wäre für mich das I-Tüpfelchen des Jahres gewesen". Dennoch fehlen Ende Juli die Laufschuhe im Gepäck nach Texas nicht, und immerhin wird sie sich mit den Komen-Kollegen aus San Antonio austauschen. Denn die Mission, Erkrankte nicht allein zu lassen und aufzuklären über Brustkrebs, beschränkt Susanne Schödel nicht auf acht Stunden im Beruf. Nur das Schweben über riesige Gebirge, tiefe Canyons und endlose Wüsten, diesmal auch an der Grenze zu Mexiko, gehört der Segelflug-Weltmeisterin ganz allein.